Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Beschwerdebegründung. Behinderung der Betriebsratsarbeit i.S.d. § 78 Satz 1 BetrVG. Abgrenzung der Behinderung der Betriebsratsarbeit von Drucksituationen aufgrund von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beschwerdebegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Der Beschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Erstgerichts für unrichtig hält und auf welche neuen Gründe oder Tatsachen die Beschwerde gestützt wird.
2. Der Begriff der "Behinderung" nach § 78 Satz 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er umfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Eine Behinderung kann auch bereits in Äußerungen des Arbeitgebers zur Betriebsratsarbeit und deren Folgen liegen.
3. Eine im Rahmen von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber entstehende Drucksituation ist nicht per se einer Behinderung der Betriebsratsarbeit gleichzusetzen. Der durch Verhandlungen entstehende Druck ist Teil des demokratischen Prinzips und damit Teil der alltäglichen Betriebsratsarbeit, auch wenn dies dem Betriebsrat unangenehm ist. Eine Behinderung der Betriebsratsarbeit liegt darin jedenfalls nicht.
Normenkette
ArbGG § 89 Abs. 2 S. 2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; BetrVG § 78 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 16.06.2021; Aktenzeichen 3 BV 3 d/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.06.2021 - 3 BV 3 d/21 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über eine behauptete Behinderung der Betriebsratstätigkeit auf Grund arbeitgeberseitiger Äußerungen gegenüber der Belegschaft.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. (im Folgenden "der Betriebsrat") ist der bei der Antragsgegnerin (im Folgenden "die Arbeitgeberin") gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin produziert mit ca. 230 Mitarbeitern Wellpappe, Verpackungen, Displays, Preprint-Erzeugnisse und bietet entsprechende Services an. Der Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern.
In der Vergangenheit gewährte die Arbeitgeberin über Jahre den gewerblichen Mitarbeitern sogenannte Kurz- und Raucherpausen. Seit März 2020 werden am Standort E. keine Wochenendarbeiten mehr durchgeführt. Im August 2020 strich die Arbeitgeberin die Kurz- und Raucherpausen. Unter anderem über die (Wieder-)Einführung der sog. Kurz- und Raucherpausen besteht zwischen den Betriebsparteien Streit.
In der Woche vom 16. bis 20.11.2020 sprach der Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr P. R., den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden M. G. auf eine mögliche Wiedereinführung der Wochenendarbeit an. In Zusammenhang mit der Wochenendarbeit sollte den Arbeitnehmern eine steuerbegünstigte sog. Corona-Prämie gezahlt werden. Von weiteren Voraussetzungen sollte die Prämienzahlung nicht abhängen. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende verwies darauf, dass dies mit dem Gremium abgestimmt werden müsste.
Am 23.11.2020 nahm Herr R. an einer Sitzung des Betriebsrats teil. Dort wurde die Einführung der Wochenendarbeit und die Zahlung einer Corona-Prämie erörtert. Dem Geschäftsführer wurde mitgeteilt, dass die Mitarbeiter grundsätzlich nicht am Wochenende arbeiten wollten. Die Bereitschaft könnte jedoch durch Zahlung einer Corona-Prämie gesteigert werden. Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Wochenendarbeiten wurde auch die Wiedereinführung der "Kurzpausenregelungen" zwischen den Betriebsparteien diskutiert. Der genaue Wortlaut ist zwischen den Parteien streitig. Herr R. erklärte, dass eine Wiedereinführung der "Kurzpausenregelung" für die Arbeitgeberin nicht in Betracht käme. Er wurde durch das Gremium gebeten, diese Position noch einmal zu überdenken.
Ohne weitere Rücksprache mit dem Betriebsrat ließ die Arbeitgebern am 24.11.2020 einen Aushang mit u. a. folgendem Inhalt anbringen (Anl. BR 1, Bl. 7 d. A.):
"Angebot einer Einmalzahlung in Höhe von € 600,-- (netto im Dezember) an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AW
[...]
Für Ihre Bereitschaft bezahlte Überstunden auch am Wochenende bis Ende März 2021 zu leisten, ist die Geschäftsleitung bereit, die von der Bundesregierung freigegebene steuerfreie einmalige Lohn- bzw. Gehaltszahlung für besondere Leistungen während der Corona-Pandemie zu nutzen und Ihnen im Dezember einen einmaligen Nettobetrag in Höhe von € 600,-- pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter zu zahlen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie dieses Angebot annehmen und die Maßnahme umgesetzt werden kann."
Daneben erhielten die Mitarbeiter am 25.11.2021 ein Anschreiben (Anl. BR 2, Bl. 8 d. A.):
"Angebot einer Einmalzahlung in Höhe von € 600,-- (netto im Dezember) an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AW
[...]
Für Ihre Bereitschaft bezahlte Überstunden auch am Wochenende bis Ende März 2021 zu leisten, ist die Geschäftsleitung bereit, die von der Bundesregierung freigegebene steuerfreie einmal...