Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit
Leitsatz (amtlich)
Es ist zwar nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber der Belegschaft einen finanziellen Anreiz, d.h. die Zahlung einer freiwilligen Zulage, für die Zustimmung des Betriebsrats zu bestimmten Arbeitszeiten in Aussicht stellt. Der Betriebsrat wird jedoch in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt, wenn der Arbeitgeber die Prämienzahlung für längere Ladenöffnungszeiten mit der Voraussetzung verknüpft, dass die zugrunde liegende befristete Betriebsvereinbarung unbefristet abgeschlossen wird.
Normenkette
BetrVG § 78 S. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 25.03.2010; Aktenzeichen 7 BV 21/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. März 2010 – 7 BV 21/09 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beteiligten zu 2. aufgegeben wird, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu EUR 10.000,00 (in Worten: Euro zehntausend) zu unterlassen, die Tätigkeit des Beteiligten zu 1. zu behindern beziehungsweise zu stören dadurch, dass die Beteiligte zu 2. die Zahlung einer jährlichen Sonderzahlung in Höhe von 12,5 % des regelmäßigen arbeitsvertraglichen Bruttomonatsentgeltes (ohne Überstunden und Zuschläge) in Form eines Guthabens auf die Mitarbeiterkarte für die Belegschaft davon abhängig macht, dass der Beteiligte zu 1. mit der Beteiligten zu 2. eine unbefristete Betriebsvereinbarung über die Ladenöffnungszeit abschließt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I
Der Beteiligte zu 1. begehrt die Unterlassung der Behinderung der Betriebsratsarbeit.
Die Beteiligte zu 2. betreibt mehrere Warenhäuser in Hamburg. Der Beteiligte zu 1. ist der Betriebsrat eines dieser Warenhäuser in H.-T.. Die Beteiligten schlossen unter dem 7. April 2009 eine Betriebsvereinbarung, nach der der Markt in H.-T. täglich von 08:00 Uhr bis 22:00 Uhr geöffnet hat (Anlage AG 5, Bl. 34 d. A.). Die Betriebsvereinbarung ist bis zum 31. Dezember 2012 befristet und endet ohne Nachwirkung.
Die Beteiligte zu 2. gewährt eine Sonderzahlung an diejenigen Mitarbeiter, die in einem Warenhaus arbeiten, das an allen sechs Werktagen bis 22:00 Uhr geöffnet hat und – darüber hinaus – dessen Öffnungszeiten in einer zeitlich nicht befristet abgeschlossenen Betriebsvereinbarung geregelt sind. Die Mitarbeiter des Warenhauses in H.-T. erhielten die Sonderzahlung nicht. Auf Nachfrage des Beteiligten zu 1. erklärte die Beteiligte zu 2., dass sie die Sonderzahlung nur dann gewähren würde, wenn der Beteiligte zu 1. eine zeitlich unbefristete Betriebsvereinbarung über die Ladenöffnungszeiten bis 22:00 Uhr abschließt.
Mit Rundschreiben vom 16. November 2009 an alle Mitarbeiter (Anlage AG 1, Bl. 24 d. A.) wies die Beteiligte zu 2. auf diese Handhabung hin. Ferner teilte die Beteiligte zu 2. mit, dass es sich bei der Sonderzahlung um eine freiwillige Leistung handelt, die keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründe. Schließlich wird auf Sonderregelungen für Mitarbeiter der Zentrale, Mitarbeiter in Märkten in Einkaufscentern sowie Filialen in B. hingewiesen.
Der Beteiligte zu 1. hat gemeint, das Verhalten der Beteiligten zu 2. sei eine Behinderung der Betriebsratsarbeit, weil diese von ihm fordere, auf Mitbestimmungsrechte gegen die Gewährung von Vergünstigungen an die Mitarbeiter zu verzichten. Er, der Beteiligte zu 1, müsse damit rechnen, von der Belegschaft unter Druck gesetzt zu werden, eine unbefristete Betriebsvereinbarung über die Ladenöffnungszeiten abzuschließen, damit diese die Sonderzahlung erhalten.
Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu EUR 10.000,00 (i. W. Euro zehntausend) zu unterlassen, die Tätigkeit des Antragsstellers zu behindern bzw. zu stören, dadurch dass die Antragsgegnerin Vergünstigungen für die Belegschaft davon abhängig macht, dass der Antragssteller mit der Antragsgegnerin eine unbefristete Betriebsvereinbarung über die Ladenöffnungszeit abschließt.
Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligte zu 2. hat die Auffassung vertreten, der Beteiligte zu 1. werde nicht an der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte gehindert. Sie, die Beteiligte zu 2., habe nie verlangt, dass der Beteiligte zu 1. auf Mitbestimmungsrechte verzichte. Eine zeitlich nicht befristete Betriebsvereinbarung könne jederzeit gekündigt werden und auch ohne Nachwirkung abgeschlossen werden. Die Sonderzahlung werde außerdem auf freiwilliger Basis geleistet. Sie, die Beteiligte zu 2., biete zur Durchsetzung ihrer Verhandlungspositionen lediglich eine zusätzliche Leistung an. Sie wolle angesichts der Wettbewerbssituation im Lebensmitteleinzelhandel lediglich Planungssicherheit erlangen.
Mit Beschluss vom 25. März 2010 – 7 BV 21/09 – hat das Arbeitsgericht Hamburg dem Antrag des Beteiligten zu 1. stattgegeben. Weg...