Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Nichtigkeit. Wahlvorstand. Bestellung des Wahlvorstandes durch letztes Betriebsratsmitglied. Darlegungslast. Betriebsratsamt. Niederlegung. Erklärungsadressat
Leitsatz (amtlich)
Solange eine Betriebsratswahl nicht rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist, ist es dem Arbeitgeber verwehrt, sich auf deren Anfechtbarkeit zu berufen.
Beruft sich der Arbeitgeber in einem Verfahren auf die Nichtigkeit der Betriebsratswahl, ist er darlegungs- und ggf. beweispflichtig für die Umstände, aus denen sich die Nichtigkeit ergibt. Das gilt auch, soweit ein vom Betriebsrat bestellter Wahlvorstand ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Arbeitgeber betreibt.
Die Niederlegung des Betriebsratsamtes erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Betriebsrat oder der Belegschaft. Sie kann nur ausnahmsweise, wenn kein anderer Adressat mehr vorhanden ist, gegenüber dem Arbeitgeber erfolgen.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 13 Abs. 2 Ziff. 3, § 26; BGB §§ 164, 173
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Beschluss vom 03.03.2005; Aktenzeichen 2 BV Ga 6 c/05) |
Tenor
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 03.03.2005 – 2 BV Ga 6 c/05 – wird unter teilweiser Zurückweisung der Beschwerde abgeändert:
Der Beteiligten zu 3. wird aufgegeben, es bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR für jeden Einzelfall – zu unterlassen, dem Beteiligten zu 2. bis zur Beendigung der für den Betrieb der Beteiligten zu 2. eingeleiteten Betriebsratswahl 2005 den Zutritt zum Betrieb zum Zweck der Ausübung seines Amtes als Mitglied des Wahlvorstandes zu verwehren.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Mit der Beschwerde erstreben die beiden Antragsteller Erlass einer einstweiligen Verfügung, die dem Antragsteller zu 2. den Zutritt zum Betrieb der Antragsgegnerin ermöglichen soll.
Die Antragsgegnerin beschäftigt in ihrer Spedition durchschnittlich 45 Fahrer sowie etwa fünf Personen im Büro. Bis zum Jahr 2004 gab es in ihrem Betrieb keinen Betriebsrat. Am 18.04.2004, einem Sonntag, fand auf Einladung der zuständigen Gewerkschaft ver.di eine erste Wahlversammlung zur Bestellung eines Wahlvorstandes im vereinfachten Wahlverfahren statt. Ob das Wahlausschreiben vom 18.04.2004 (Bl. 15 d. BA 13 BV 8/04 ArbG Hamburg bzw. 2 BV 37 d/04 Arbeitsgericht Neumünster) ordnungsgemäß ausgehängt worden ist, ist in dem Wahlanfechtungsverfahren nicht abschließend geklärt worden. Am Sonntag dem 25.04.2004 fand eine Betriebsratswahl statt. Zum Betriebsrat wurden die Mitarbeiter W., St. und S. gewählt. Nach Angaben des Betriebsrates erfolgte am 26.04.2004 ein Aushang. Der Betriebsrat sandte mit Datum vom 05.05.2004 ein Schreiben an die Arbeitgeberin, in dem er den Arbeitgeber über das Ergebnis der Wahl unterrichtete. Am 10.05.2004 leiteten die drei Mitarbeiter G., K. und R. beim Arbeitsgericht Hamburg die Anfechtung der Betriebsratswahl ein (13 BV 8/04). Die Arbeitgeberin leitete ebenfalls ein Anfechtungsverfahren ein (13 BV 9/04). Das Anfechtungsverfahren wurde an das Arbeitsgericht Neumünster verwiesen und dort nach Erledigungserklärung der anfechtenden Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 23.08.2004 eingestellt. Vorausgegangen war ein Schreiben der Arbeitgeberin an den Betriebsratsvorsitzenden vom 02.07.2004, das wie folgt lautet:
„Einvernehmliche ersatzlose Auflösung des Betriebsrates
Sehr geehrter Herr W.,
die Geschäftsleitung der … Spedition nimmt hiermit das Angebot des Betriebsrats auf ersatzlose Auflösung des Betriebsrats an. Wir möchten, dass auf diese Weise der Zustand der Ungewissheit über die rechtswidrige Betriebsratswahl beendet wird.
Im Gegenzug verpflichtet sich die Geschäftsleitung, unverzüglich die Wahl einer Arbeitnehmervertretung in der … Spedition zu organisieren. Die Geschäftsleitung wird dann sämtliche Arbeitnehmer und Angestellte anweisen, an der geplanten Wahl teilzunehmen, soweit dies gesetzlich zulässig und dies insbesondere mit den Grundsätzen über die Freiwilligkeit von Wahlen im Einklang zu bringen ist.
Die Wahl zur Arbeitnehmervertretung wird voraussichtlich bis spätestens 07.11.2004 erfolgt sein. Die Einhaltung dieses Termins hängt maßgeblich von dem gegenwärtig gerichtlich anhängigen Beschlussverfahren und einer Entscheidung des Gerichts über die Nichtigkeit/Anfechtung der Betriebsratswahl bzw. dessen Erledigung ab. Wir möchten mit dieser Vereinbarung die einvernehmliche Erledigung erreichen und hoffen, dass die Wirksamkeit dieser Vereinbarung durch das Gericht direkt oder indirekt bestätigt wird.
Mit der Auflösung des Betriebsrats soll der Rechtszustand herbeigeführt, der vor der Wahl bestand, möglichst sogar der Zustand der vor der Einladung zur Wahlversammlung zum 18.04.2004 bestand. Soweit gesetzlich zulässig, ist beabsichtigt, eine Arbeitnehmervertretung zu bilden, die möglichst ohne Mitwirkung der Gewerkschaft ver.di oder einer anderen Gewerkschaft zustande gekommen ist.
Auch die Gesc...