Entscheidungsstichwort (Thema)
Druckkündigung. Auflösungsantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Druckkündigung ist eine Kündigung aus betrieblichen Gründen.
2. Eine Drucksituation ist in der sozialen Auswirkung vergleichbar einer sog. Mobbingsituation. Arbeitnehmer weigern sich, mit einem anderen Arbeitnehmer zusammen zu arbeiten. Folge ist die Ausgrenzung dieses Mitarbeiters. Von einer Mobbingsituation unterscheidet sich die Drucksituation lediglich insoweit, als die Mitarbeiter, die die Entlassung des anderen verlangen, damit drohen, ihrerseits den Betrieb zu verlassen. In jedem Fall ist in einer solchen Situation zu verlangen, dass der Arbeitgeber sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellt und alle zumutbaren Mittel einsetzt, um die Belegschaft oder die Personen, von denen der Druck ausgeht, von ihrem Verhalten oder ihrer Drohung – Verlassen des Betriebs – abzubringen.
3. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es Situationen geben kann, in denen ein Arbeitnehmer berechtigt ist, trotz seiner Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber und Vertraulichkeit nach außen zu gehen, kann ein solches Vorgehen eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen und einen Auflösungsantrag rechtfertigen.
Normenkette
KSchG §§ 1, 9
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 19.07.2011; Aktenzeichen 6 Ca 516/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.07.2011 – 6 Ca 516/11 – teilweise abgeändert:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 31.03.2011 gemäß §§ 9,10 KSchG aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung i.H.v. 4.300,00 EUR (i.W.: viertausenddreihundert Euro) brutto zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Druckkündigung) sowie einen Auflösungsantrag der Beklagten.
Der Kläger ist am …1965 geboren. Er ist nicht verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Bei der Beklagten wurde er mit Wirkung vom 01.01.2009 als Vertriebsingenieur mit einem Bruttomonatsgehalt von 3.800,00 EUR eingestellt. Die Beklagte stellt in einem spezialisierten Bereich Regelungs- und Messtechnik her. In diesem Markt gibt es ca. fünf Konkurrenten. Es bestehen jeweils enge Verflechtungen. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG. Ein Betriebsrat ist gebildet. Mitte Februar 2009 erlitt der Kläger einen Freizeitunfall, der mit Unterbrechungen Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 22.02.2009 bis Herbst 2009 zur Folge hatte. Verschiedentlich wurde der Kläger in dieser Zeit im Rahmen eines Hamburger Modells (allerdings tatsächlich mit voller Arbeitszeit) bei der Beklagten eingesetzt. Ab dem 23.11.2009 befand sich der Kläger in Kurzarbeit Null.
In der Zeit seiner tatsächlichen Tätigkeit für die Beklagte war der Kläger bei verschiedenen Gelegenheiten gemeinsam mit den Zeugen M. und W. tätig. Herr W. ist in der Zentrale der Vertriebsansprechpartner und auch für die Durchführung von Messen verantwortlich. Herr M. ist Außendienstmitarbeiter der Beklagten.
Mit Schreiben vom 10.02.2011 (Bl. 4 d.A.), dem Kläger am 18.02.2011 mit Abholung des Einschreibens von der Post zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 ordentlich fristgemäß. Nach Ablauf der Kündigungsfrist kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut, mit Schreiben vom 18.05.2011 ordentlich zum 30.06.2011 und mit weiterem Schreiben vom 18.05.2011 fristlos. Zu diesen Kündigungen ist zwischen den Parteien ein weiterer Rechtsstreit zum Aktenzeichen 6 Ca 1447/11 anhängig.
Die Kündigung vom 10.02.2011 hat der Kläger mit seiner am 01.03.2001 erhobenen Klage angegriffen. Er hat Sozialwidrigkeit der Kündigung gerügt und vorgetragen, die Betriebsratsanhörung sei nicht hinreichend, sondern nur stichwortartig und unvollständig erfolgt.
Die Beklagte hat sich zur Begründung der Kündigung auf eine Drucksituation berufen. Sie hat vorgetragen, die beiden Kollegen des Klägers aus dem Vertrieb hätten gedroht, bei einer Rückkehr des Klägers selbst zu kündigen. Dies hätten beide Zeugen im November 2010 anlässlich einer Messe dem Komplementärgeschäftsführer der Beklagten glaubhaft mitgeteilt. Er habe sich dann schützend vor den Kläger gestellt. Beide Vertriebsmitarbeiter seien für einen hohen Anteil des Umsatzes zuständig. Die Konkurrenzsituation ermögliche es ihnen auch, entsprechend sofort oder kurzfristig zu wechseln. Dies stelle auch wegen der Konkurrenzsituation eine besondere Belastung für die Beklagte dar. Zur Betriebsratsanhörung verweise sie auf den Anhörungsbogen und die Zustimmung des Betriebsrates (Bl. 29 der Akte).
Der Kläger hat die Drucksituation bestritten. Die beiden Kollegen des Klägers seien für die Beklagte nicht derartig von B...