Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. verhaltensbedingt. Minderleistung. Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer. Verhaltensbedingte Kündigung wegen Minderleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Leistungsminderung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund nicht angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit längerfristig die Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer in erheblichem Maße unterschreitet.
2. Anknüpfungspunkt für die Feststellung, dass ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten bewusst langsam arbeitet, sind einerseits die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung sowie die Durchschnittsleistung der mit dem betreffenden Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer.
3. Sofern die Fertigung eines Werkstückes nur wenige Minuten dauert (hier: 3 Minuten) ist es zur Ermittlung des Parameters „Tagesdurchschnittsleistung vergleichbarer Mitarbeiter” nicht geeignet, diese einzelne Fertigungsdauer auf die tägliche Arbeitszeit hochzurechnen (z.B. 60 Min.: 3 Min. × 8 Std. = 170 Stück). Bei dieser Hochrechnung wird nicht berücksichtigt, dass während eines achtstündigen Arbeitstages die Leistungsfähigkeit – je nach Anforderung, Belastung und Eintönigkeit der Arbeit – ganz normalen Schwankungen unterliegt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 16.08.2007; Aktenzeichen 2 Ca 553 c/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16. August 2007, Az. 2 Ca 553 c/07, wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. April 2007 nicht beendet worden ist.
- Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 31. Juli 2007 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 15.800,00 EUR brutto zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2007 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung und die Begründetheit des Auflösungsantrags des Klägers.
Der jetzt 46-jährige verheiratete Kläger ist ausgebildeter Maschinenschlosser/ Industriemechaniker und wurde am 01.01.1998 von der Beklagten als CNC-Fräser eingestellt. Ausweislich des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages kann der Kläger „neben der Bedienung und Programmierung von CNC-Fräsmaschinen … auch für alle anderen in der Werkstatt anfallenden Arbeiten bedarfsweise eingesetzt werden.” (§ 1 des Arbeitsvertrages, Bl. 17 ff. d. GA.). Sein derzeitiges Monatsgehalt beträgt EUR 3.200,00 Euro brutto. Bis Mitte Februar 2007 zählten zu den Aufgaben des Klägers das Programmieren, Einrichten und Bedienen von CNC-Fräsmaschinen. Während einer Besprechung vom 14.02.2007 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass „wegen Bedarfs an Wellen (Luftrohr, Abstandsstücke usw.) … die Drehbank in der Montagehalle in den Fertigungsablauf hinein bezogen” werde (Bl. 19 d. GA.). Der Kläger wurde angewiesen, diese Teile bis auf Weiteres ab dem 15.02.2007 zu fertigen. Ab dem 15.02.2007 arbeitete der Kläger an der Drehbank und fertigte Luftrohre. Mit Gewerkschaftsschreiben vom 22.02.2007 wandte sich der Kläger gegen die Zuweisung dieser „einfachen Arbeiten (Gewinde schneiden an Rohren)” und forderte seinen alten Arbeitsplatz ein (Bl. 21 d. GA.). Dem widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 26.02.2007 und erklärte, dass es sich um hochwertige Teile handele, für die die Ausbildung des Klägers als Industriemechaniker gefragt sei (Bl. 22 d. GA.). Ebenfalls mit Schreiben vom 26.02.2007 erteilte die Beklagte dem Kläger die Rüge, dass seine Arbeitsleistung in den letzten Monaten, insbesondere seit ca. einer Woche stark nachgelassen habe (Bl. 23 d. GA.). Am 05.03.2007 mahnte die Beklagte den Kläger wegen deutlicher Unterschreitung der durchschnittlichen Tagesleistung von 170 Stück (8,5 Stunden) an den Tagen 27.02. (90 Stück), 28.02. (81 Stück) und 01.03.2007 (74 Stück) ab (Bl. 24 d. GA.). Die Zeit pro Rohr sei mit 2,5 Minuten vorgegeben, die durchschnittliche Leistung sei mit 3 Minuten pro Rohr hinreichend bemessen. Mit Schreiben vom 13.03.2007 erhielt der Kläger eine zweite Abmahnung, da er ausweislich der anliegenden Zusammenfassung seiner Tagesleistungen in der Zeit vom 01.03. bis 13.03.2007 die Durchschnittsleistung nur zu etwa 50 %, am 05.03.2007 sogar nur zu 30 % erreicht habe (Bl. 26 d. GA.). Am 23.04.2007 erkrankte der Kläger. Mit Schreiben vom 24.04.2007 sprach die Beklagte die streitgegenständliche ordentliche Kündigung zum 31.07.2007 aus (Bl. 4 d. GA.). Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers währte bis zum 02.06.2007. Am Montag, den 04.06.2007, nahm der Kläger seine Arbeit an der Drehbank wieder auf. Mit Schreiben vom 07.06.2007 kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. Der hiergegen gerichteten Kündigungsfeststel...