Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention richten sich an einzelne Versicherte. Sie sollen sie motivieren und befähigen, Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden Lebensführung auszuschöpfen. Die Maßnahmen finden grundsätzlich in Gruppen statt und sollen die Teilnehmenden über die Laufzeit der Maßnahme hinaus zur regelmäßigen Ausübung positiver gesundheitsbezogener Verhaltensweisen anregen und befähigen.
Zur Ermittlung der Handlungsfelder in der individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention wurden die vorhandenen Datenquellen daraufhin ausgewertet, mit welcher Häufigkeit, medizinischen Relevanz und volkswirtschaftlichen Bedeutung bestimmte Erkrankungen auftreten. Anschließend wurde geprüft, ob für die Prävention dieser Erkrankungen wirksame Interventionen zu angemessenen Kosten möglich sind und qualitätsgesichert erbracht werden können.
Die Auswertung der für eine entsprechende Bedarfsermittlung zur Verfügung stehenden Literatur zeigt, dass folgende Krankheitsbilder von besonderer epidemiologischer Bedeutung sind:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (insbesondere Herzinfarkte, Schlaganfälle und Krankheiten des cerebrovaskulären Systems)
- Diabetes mellitus, insbes. Typ 2
- Adipositas
- bösartige Neubildungen
- Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes
- Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane
- psychische/psychosomatische Krankheiten (insbesondere Depressionen und Angststörungen)
Das Ziel der individuellen verhaltensbezogenen Primärpräventionsleistungen der Krankenkassen ist daher die Reduktion der Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Erkrankungen durch Senkung der ihnen zugrunde liegenden verhaltensbedingten Risikofaktoren und die gleichzeitige Stärkung gesundheitsfördernder Faktoren (= Ressourcen).
Folgende primärpräventive Interventionen sind vorrangig für die verschiedenen Krankheitsbilder zu empfehlen:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Vermeidung von Rauchen, Übergewicht, unausgewogener Ernährung, Hyperlipoproteinämie, Bluthochdruck, riskantem Alkoholkonsum, Dysstress (vor allem in Bezug auf Herzinfarkte und Schlaganfälle), Förderung von Bewegung
- Diabetes mellitus Typ 2: Vermeidung des metabolischen Syndroms (gekennzeichnet durch eine Kombination aus Übergewicht bzw. Adipositas, Hyperlipoproteinämie, Hypertonie und erhöhten Blutzuckerwerten, die mit einer Insulinresistenz, Glukosetoleranzstörung bzw. einem manifesten Diabetes einhergeht) durch Förderung von Bewegung und ausgewogener Ernährung, Reduzierung der o. g. Risikofaktoren
- bösartige Neubildungen: Förderung einer ballaststoffreichen Ernährung und Förderung von Bewegung zur Vermeidung von Colon-Rektumkarzinomen; Förderung des Nichtrauchens zur Vermeidung von Lungenkarzinomen, generell Vermeidung von Übergewicht und riskantem Alkoholkonsum sowie Förderung von Bewegung
- Krankheiten der Muskeln, des Skeletts und des Bindegewebes: Vermeidung von Übergewicht, Verhütung von Gelenkverletzungen, Förderung von Bewegung, insbesondere Kräftigung der Muskulatur (vor allem in Bezug auf Arthrosen und Dorsopathien)
- Depressionen und Angststörungen: Förderung individueller Kompetenzen zur Stressbewältigung und Stärkung psychischer Gesundheitsressourcen sowie Förderung von Bewegung
Bewegungsmangel, Fehlernährung, Übergewicht und Adipositas, mangelnde Stressbewältigungs- und Entspannungskompetenzen sowie Suchtmittelkonsum bilden wichtige Risikofaktoren für zahlreiche der o. g. Erkrankungen. Deshalb fokussieren die prioritären Handlungsfelder der individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention auch auf diese Risikofaktoren (s. hierzu Kapitel 5.4.1–5.4.4). Die Handlungsfelder sind dabei ziel- und indikationsbezogen in unterschiedliche Präventionsprinzipien gegliedert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die einzelnen Handlungsfelder mit ihren Präventionsprinzipien getrennt dargestellt. In der Leistungserbringung vor Ort können die Inhalte aus den unterschiedlichen Präventionsprinzipien unter Beachtung aller handlungsfelderübergreifenden und handlungsfelderspezifischen Kriterien miteinander kombiniert werden.
Abbildung 4: Handlungsfelder und Präventionsprinzipien der individuellen verhaltensbezogenen Primärprävention (Quelle: GKV Spitzenverband)
Zur Förderung von innovativen Ansätzen können die Krankenkassen darüber hinaus modellhaft die Wirksamkeit weiterer Präventionsprinzipien erproben. Über eine begleitende Dokumentation und Evaluation wird die Wirkung des jeweiligen Prinzips überprüft. Die hieraus resultierenden Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung dieses Leitfadens ein.
Ziel der individuellen verhaltenspräventiven Maßnahmen ist es, Versicherte zur kritischen Reflexion ihres gesundheitsbezogenen Verhaltens und ihrer gesundheitlichen Situation anzuregen, Anreize zur Stärkung ihres selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns zu bieten und so Krankheitsrisiken zu verhindern bzw. zu vermindern. Die Maßnahmen richten sich an gesunde Versicherte, ggf. mit gesundheitlichen Risikofaktore...