Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändbarkeit von Entlassungsgeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Das einem Wehrpflichtigen oder Zivildienstleistenden nach Ablauf seiner Dienstzeit zustehende Entlassungsgeld ist grundsätzlich unbeschränkt pfändbar.
2. Die Voraussetzungen für einen Pfändungsschutz nach § 850 i ZPO liegen nur sehr begrenzt vor.
Normenkette
ZPO § 850i
Verfahrensgang
AG Detmold (Entscheidung vom 24.01.1997) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert.
Dem Schuldner sind von dem gepfändeten Entlassungsgeld 310,40 DM auszuzahlen. Im übrigen wird sein Antrag auf Freigabe des ihm nach Beendigung der Zivildienstzeit zustehenden Entlassungsgeldes zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin nach dem Mindeststreitwert. Im übrigen tragen die Gläubigerin 1/4 und der Schuldner 3/4 der Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die nach § 793 ZPO zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet.
I.
Das einem Wehrpflichtigen oder Zivildienstleistenden nach Ablauf seiner Dienstzeit zustehende Entlassungsgeld ist grundsätzlich unbeschränkt pfändbar. Bei dem Entlassungsgeld handelt es sich weder um eine Sozialleistung noch um eine nur in den Grenzen des § 850 c ZPO pfändbare laufende Vergütung aus einem Arbeitsverhältnis, noch um eine nach § 850 a Nr. 6 ZPO unpfändbare Beihilfe, sondern um ein nicht wiederkehrend gezahltes Arbeitseinkommen, bei welchem dem Schuldner nur unter den Voraussetzungen des § 850 i ZPO ein pfändungsfreier Betrag zu belassen ist (herrschende Meinung; vgl. OLG Hamm, OLGZ 84, 457; LG Koblenz MDR 1969, 769; Stöber, Forderungspfändung, 11. Aufl. Rn 909; Stein-Jonas ZPO, 21. Aufl. § 850 Rn. 28 und § 850 a Rn. 33; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann ZPO, 55. Aufl. § 850 a Rn. 9). Die Kammer schließt sich der ausführlich begründeten Rechtsauffassung des OLG Hamm a.a.O. an; diese Entscheidung ist den Parteien zur Information übersandt worden; auf eine Wiederholung der Gründe wird daher verzichtet. Der insbesondere von Rieker JurBüro 1981, 322 und 1985, 1772 vertretenen Gegenauffassung, daß es sich bei dem Entlassungsgeld um eine unpfändbare Sozialleistung handele, die zwar unabhängig von konkreter Hilfsbedürftigkeit gezahlt, bei der jedoch Hilfsbedürftigkeit vermutet werde, ist nicht zu folgen. Ein – über 850 c ZPO hinausgehender – Pfändungsschutz ist nicht gesetzlich bestimmt. Das historische Argument, daß bei der erstmaligen Bereitstellung von Haushaltsmitteln für zur Entlassung anstehende Wehrpflichtige (1958) und bei der gesetzlichen Verankerung des Entlassungsgeldes im Jahre 1961 diese in der Regel weder eigene Mittel besaßen, noch von dritter Seite Unterstützung erhielten, es sich daher um eine Sozialleistung handele, greift nicht mehr, weil nunmehr im Regelfall ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis der ganz herrschenden Rechtsprechung nicht zur Normierung eines besonderen Pfändungsschutzes entschlossen und damit zu erkennen gegeben, daß er ihn zu nicht erkennen gegeben, daß er ihn nicht für geboten.
II.
Die Voraussetzungen für einen Pfändungsschutz nach 850 i ZPO liegen nur in sehr begrenztem Umfang vor.
Für die Entscheidung nach § 850 i ZPO ist auf den Unterhaltsbedarf des Schuldners in dem auf die Entlassung folgender Monat abzustellen. Kein brauchbarer Anknüpfungspunkt ist hingegen die erste Auszahlung des Arbeitslosengeldes. Sie hängt von dem Zeitpunkt der Antragstellung und der Dauer der Bearbeitung ab und ist damit manipulierbar und von Zufälligkeiten bestimmt. Wenn – wie vorliegend – der pfandfrei zu belassene Betrag gerichtlich festzusetzen ist, wird auch bei späterer Antragstellung das erste Arbeitslosengeld – mit Rückwirkung auf den Monatsbeginn – schon vor dem Entlassungsgeld ausgezahlt werden. Der Auszahlungstermin des Arbeitslosengeldes ist deshalb kein vernünftiges Kriterium dafür, welcher Anteil der Summe von Arbeitslosengeld und Entlassungsgeld dem Schuldner zu belassen ist.
Bei einer verzögerten Auszahlung des Arbeitslosengeldes kann ein mittelloser Schuldner – bei Überleitung seiner Ansprüche gegen das Arbeitsamt – zunächst Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Da die Sozialhilfe dabei nur vorschußweise eingreifen müßte, würde der Gläubiger auch in diesen Fällen nicht etwa auf Kosten des Staates befriedigt werden.
Der am 31.01.1997 von dem Zivildienst entlassene Schuldner erhält ab Februar 1997 ein Arbeitslosengeld von 227,40 DM wöchentlich, also für Februar 1997 909,60 DM. Bei dem von ihm zu tragenden Mietzins (einschl. Nebenkosten) von 450,00 DM und einen Sozialhilfesatz (einschließlich üblicher Zusatzleistungen) von 649,00 DM ergibt sich ein Bedarf von 1.099,00 DM. Angesichts eines zu vermutenden gewissen Mehrbedarfs nach Ende der Dienstzeit ist es – obwohl der Schuldner noch nicht arbeitet – angemessen, diesen Betrag auf den Mindestbetrag von 1.200,00 DM zu erhöhen, der einem Arbeitnehmer pfandfrei zu belassen ist.
Bei 909,60 DM Arbeitslosengeld sind dann ...