Leitsatz (amtlich)
Entspricht dies der Billigkeit i. S. von § 850b II ZPO, vermag der Schuldner wegen eigener Forderungen auch den gegen ihn gerichteten Anspruch des Gläubigers auf Zahlung von Unterhaltsrückständen zu pfänden.
Verfahrensgang
AG Wolfhagen (Beschluss vom 08.11.2004; Aktenzeichen 6 M 1106/04) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Wolfhagen vom 08.11.2004 wird aufgehoben.
Das Amtsgericht hat über den Antrag des Beschwerdeführers vom 15.07.2004 sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu entscheiden.
Tatbestand
I. Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Durch Versäumnisurteil vom 06.07.1998 – 2 O 211/98 LG Münster – wurde der Antragsgegnerin zunächst aufgegeben, an den Beschwerdeführer DM 24.000,00 nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Nach Verrechnung mit anderweitigen Gegenforderungen verblieb zu Gunsten des Beschwerdeführers hieraus ein Restbetrag von EUR 6.978,10 nebst Zinsen. Umgekehrt hatte sich der Beschwerdeführer gegenüber der Antragsgegnerin durch Vergleich vom 23.04.1996 – 3 F 342/95 AG Lüdinghausen – zur Zahlung monatlichen Unterhalts in Höhe von DM 904,00 verpflichtet. Diese Verpflichtung wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 09.05.2000 – 3 UF 125/98 – später dahin abgeändert, dass der zu zahlende Unterhalt zunächst mit Wirkung vom 01.04.1998 herabgesetzt wurde und seit dem 25.07.1999 gänzlich entfiel. Wegen der sich aus dem Vergleich vom 23.04.1996 ergebenden Ansprüche erwirkte die Antragsgegnerin am 28.08.1996 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der sich auf mögliche Forderungen des Beschwerdeführers gegen die Bundesanstalt für Arbeit und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bezog. Gleichwohl kam es zu erheblichen Unterhaltsrückständen, weil die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an die Antragsgegnerin nur Teilbeträge von zuletzt EUR 84,13 nach Maßgabe ihrer Aufstellung vom 29.05.2002 überwies.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 15.07.2004 bat der Beschwerdeführer seinerseits um den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, der sich auf die gegen ihn gerichteten rückständigen Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin beziehen sollte. Hierzu erläuterte er, dass die Antragsgegnerin auf das Angebot einer einvernehmlichen Verrechnung der beiderseitigen Forderungen nicht eingegangen sei und er sich deshalb nur durch die beabsichtigte Pfändung befriedigen könne; denn die anderweit versuchte Vollstreckung sei nach Mitteilung der zuständigen Gerichtsvollzieherin vom 31.03.2004 – unstreitig – fruchtlos ausgefallen. Damit entspreche die Zulassung einer Pfändung im Sinne von § 850b II ZPO umso mehr der Billigkeit, als es – unstreitig – nicht um Leistungen gehe, welche die Antragsgegnerin derzeit als Unterhalt beanspruchen könne.
Dem sind die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 20.09.2004 und vom 15.10.2004 entgegengetreten.
Durch Beschluss vom 08.11.2004, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht das Begehren des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde vom 26.11.2004.
Entscheidungsgründe
II. Das gemäß §§ 793, 567 I ZPO an sich statthafte Rechtsmittel wahrt schon deshalb die in § 569 I ZPO bestimmte Frist, weil sich eine ordnungsgemäße Zustellung des angefochtenen Beschlusses nicht feststellen lässt. Es ist auch im Übrigen zulässig und muss vorerst Erfolg haben.
Dem Begehren des Beschwerdeführers steht eingangs nicht entgegen, dass er im Rahmen von § 829 ZPO eine gegen sich selbst gerichtete Forderung zu pfänden trachtet; denn das für jede Maßnahme der Zwangsvollstreckung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis besteht gerade dann, wenn einer sonst in Betracht kommenden Aufrechnung zunächst Hindernisse entgegenstehen, die im Vollstreckungsverfahren ausgeräumt werden können. Dann ist es dem Vollstreckungsgläubiger unbenommen, eine Pfändung und Überweisung anzustreben, um auf diesem Wege eine Tilgung der beiderseitigen Ansprüche herbeizuführen (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl. § 829 Rdnr. 2 a. E.). Dies gilt gerade in einem Fall der vorliegenden Art, in dem der Beschwerdeführer durch § 394 BGB in Verbindung mit § 850b I Ziff. 2 ZPO an einer Aufrechnung gehindert ist (vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 1983, 409), weil die letztgenannte Bestimmung nach ihrem Zweck nicht allein laufende “Unterhaltsrenten”, sondern Unterhaltsforderungen jeder Art erfasst, die im Rahmen und auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung geschuldet werden. Sie gilt damit auch für einmalig zu zahlende Unterhaltsbeträge (vgl. BGH NJW 1997, 1441), insbesondere Unterhaltsrückstände, um die es hier geht (vgl. BGH NJW 1960, 572; BGH NJW 1997, 1441; BGH NJW-RR 2002, 1513).
Zutreffend hat das Amtsgericht deshalb geprüft, ob die vom Beschwerdeführer angestrebte Pfändung ausnahmsweise nach Maßgabe von § 850b II ZPO statthaft ist. Aufgrund dieser Vorschrift können auch Unterhaltsansprüche nach den für Arbeitseinkommen gel...