Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsnachforderung. aufschiebende Wirkung. sozialgerichtliches Verfahren. Anwendung des § 7a Abs 7 SGB 4 nur bei Statusentscheidungen. Anwendung des § 14 Abs 2 S 2 SGB 4 auch bei nur teilweisen Schwarzlohnzahlungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 7a Abs 7 SGB 4, die als speziellere Regelung für ihren Anwendungsbereich der Bestimmung in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgeht, betrifft nur Statusentscheidungen, die nach § 7a Abs 1 S 1, Abs 6 S 1 SGB 4 ergangen sind.
2. Auch in Fällen nur teilweiser Schwarzlohnzahlungen findet die Fiktion des § 14 Abs 2 S 2 SGB 4 Anwendung.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 14.633,48 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 28. Februar 2007 in Höhe von 23.042,47 € zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe weiterer 6.224,50 €, dh insgesamt 29.266,97 €.
Das Hauptzollamt L. führte im April 2007 aufgrund einer anonymen Anzeige über einen unrechtmäßigen Leistungsbezug bei der kommunalen Arbeitsförderung O. eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Dabei wurden in den Unterlagen Stempelkarten gefunden, auf denen wesentlich mehr Stunden verzeichnet waren als auf den Lohnbescheinigungen der jeweiligen Arbeitnehmer abgerechnet wurden. Weiterhin waren manche Stempelkarten mit gelben Klebezettel versehen, auf denen die Gesamtlohnsumme abzüglich der offiziellen Lohnsumme ausgewiesen wurde, der Sozialversicherung wurde jedoch nicht die offizielle Lohnsumme mitgeteilt (vgl Abschlussbericht vom 12. Oktober 2007, Bl 133 V-Akte). Mit Urteil des Amtsgerichts Kehl vom 20. Oktober 2008 (2 Cs 10 Js 6457/07) wurde die Geschäftsführerin der Antragstellerin wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 59 Fällen, davon in 46 Fällen in Tateinheit mit einem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Daraufhin leitete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 das Anhörungsverfahren ein und stellte mit Bescheid vom 30. Juli 2009 in Auswertung der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamts fest, dass unter Zugrundelegung des § 14 Abs 2 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei illegaler Beschäftigung unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Lohnvereinbarung das Arbeitsentgelt der Beschäftigten aus dem als Nettolohn zu behandelnden Barlohn bestehe. Die darauf entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung seien zu einem Bruttolohn “hochzurechnen„. Eine illegale Beschäftigung liege auch dann vor, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die für die Arbeitsverhältnisse vorgeschriebenen Meldungen nicht erstatte oder Beiträge für die versicherten Arbeitnehmer nicht zahle. Dies sei bei der Antragstellerin der Fall, die Personen mit zu niedrigem Entgelt bzw lediglich als “geringfügig Beschäftigte„ Arbeitnehmer gemeldet habe und für die deswegen keine bzw zu niedrige Beiträge zur Sozialversicherung nachgewiesen und entrichtet worden wären. Auf dieser Grundlage seien die Sozialversicherungsbeiträge nachberechnet und auch Säumniszuschläge festgesetzt worden. Die Nachforderung zur Sozialversicherung betrage 29.266,97 €.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV sei nicht anwendbar, da Beiträge teilweise geleistet worden seien. Man habe lediglich zuzüglich zum Lohn des geringfügig Beschäftigten Sonderzahlungen geleistet. Entsprechend müsse von einer Bruttolohnabrede ausgegangen werden. Auch habe die Antragsgegnerin die Gleitzone im Niedriglohnbereich nicht angewandt. Weiterhin könnten die Beiträge nicht nach der Lohnsteuerklasse VI ermittelt werden, da die davon betroffenen Arbeitnehmer nicht in einem weiteren Beschäftigungsverhältnis stünden. Auch die Höhe der festzusetzenden Sozialversicherungsbeiträge müsse überprüft werden, nachdem die Daten auf den Stempelkarten korrigiert worden wären.
Die Antragstellerin hat deswegen am 15. Januar 2010 beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Rechtwidrigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides sei substantiiert begründet worden. Der angefochtene Bescheid sei grob rechtswidrig und deshalb sei eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2010, der Antragstellerin zugestellt am selben Tag, hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, nur überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung rechtfertigten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Solche Zweifel bestünden vorlieg...