Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistung zur Teilhabe. Bewilligung durch den Rehabilitationsträger dem Grunde nach. Wunsch eines IT-Studiums an einer Hochschule. Ablehnung der beantragten Maßnahme nur in Verbindung mit positivem Gegenvorschlag. bloße Ablehnung keine begründete Mitteilung. Gleichsetzung mit einer Nichtentscheidung. Genehmigungsfiktion nach § 18 SGB 9 2018. Selbstbeschaffung. Sanktionierungszweck. Pflicht zur Kostenerstattung auch für unwirtschaftliche und nicht erforderliche Leistungen. Finanzierung des Hochschulstudiums für einen Handwerksmeister. kein Rechtsmissbrauch. Möglichkeit der psychologischen Untersuchung trotz Hochschulzugangsberechtigung. Auswirkungen auf weitere Bescheide. Folgeansprüche. Übergangsgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts. sozialgerichtliches Verfahren. Eilbedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Gilt die beantragte Teilhabeleistung nach § 18 Abs 3 SGB IX (in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung) als genehmigt, entfällt die dadurch ausgelöste Erstattungspflicht für selbstbeschaffte Leistungen nach § 18 Abs 4, Abs 5 SGB IX nur dann, wenn der Antragsteller die Leistung subjektiv für nicht erforderlich halten durfte und diese offensichtlich außerhalb des gesetzlichen Leistungskatalogs liegt. Auf die fehlende Rechtmäßigkeit (insbesondere Wirtschaftlichkeit und Erforderlichkeit) der Primärleistung kann sich der Reha-Träger nicht berufen. Die in § 18 SGB IX geregelte Möglichkeit der Selbstbeschaffung soll gegenüber den säumigen Rehabilitationsträgern eine wirksame Sanktionswirkung entfalten.
Damit begründet die fiktive Bewilligung der selbstbeschafften Teilhabeleistung auch Ansprüche auf Folgeleistungen, wie Übergangsgeld nach § 20 SGB VI.
Orientierungssatz
1. Bewilligt der (zweitangegangene) Rehabilitationsträger eine Rehabilitationsleistung dem Grunde nach, entbindet das fehlende Interesse des Antragstellers an einer anderen Rehabilitationsleistung den Träger nicht von seiner Verpflichtung, eine konkrete Maßnahme zu gewähren und das Antragsverfahren so abzuschließen. Vielmehr bedarf es bei einer Ablehnung stets eines positiven Gegenvorschlags.
2. Der Rehabilitationsträger kann bei ordnungsgemäßer Bearbeitung eines Antrags auf ein Hochschulstudium als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben grundsätzlich - unabhängig von einer beruflich bestehenden Hochschulzugangsberechtigung - durch eine psychologische Untersuchung prüfen lassen, ob eine uneingeschränkte Eignung für ein konkretes Hochschulstudium besteht, ohne dass dem behinderten Menschen in diesem Rahmen ein Nachteilsausgleich zu gewähren wäre.
3. Zu den Folgen der Genehmigungsfiktion des § 18 Abs 3 SGB 9 2018 für weitere Bescheide im Verwaltungsverfahren.
4. Eine für die einstweilige Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit muss nicht deshalb in Frage gestellt sein, weil der Antragsteller sich für ein Rechtsmittel drei Wochen Zeit gelassen hat.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 29.10.2018 abgeändert.
Die Antragsgegnerin Ziffer 1.) wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Übergangsgeld bezüglich des Studiums der IT-Sicherheit an der Hochschule A. in gesetzlicher Höhe längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 8 R 2921/18 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die Antragsgegnerin Ziffer 1.) in beiden Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Gewährung von Übergangsgeld.
Der 1973 geborene Antragsteller hat eine Ausbildung zum Fliesenleger absolviert und am 20.11.2000 die Meisterprüfung bestanden (Prüfungszeugnis Blatt 15 SG-Akte S 13 R 2065/18 ER). Mit Bescheid vom 21.06.2018 stellte das Landratsamt S. H. einen GdB von 30 seit dem 28.02.2018 fest.
Am 28.02.2018 beantragte der Antragsteller bei der Bundesagentur für Arbeit (Antragsgegnerin Ziffer 4.) - BA) die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die BA leitete den Antrag an die Deutsche Rentenversicherung (Antragsgegnerin Ziffer 1.) - DRV) gemäß § 14 SGB IX weiter (Eingang dort am 02.03.2018 - Blatt 1 VA DRV). Ergänzend wurde die sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme des Dr. F. vom 12.01.2018 (Blatt m1 VA DRV) übersandt, wonach die typischen Tätigkeiten eines Fliesenlegers nicht mehr leidensgerecht seien, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe. Berichtet worden seien auch Probleme mit Staub, wobei solche aus den Unterlagen nicht ersichtlich seien.
Mit Bescheid vom 21.03.2018 bewilligte die DRV Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach und führte zur Begründung aus, dass über Art und Umfang von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erst nach einem Gespräch mit dem Reha-Fachberater entschieden werden könne. Dieser werde einen Termin vereinbaren, es werde gebeten, die erforderlichen Nachweise über den schulischen und beruflich...