Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ersatzzustellung eines Schriftstückes durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Zustellungsurkunde. Gegenbeweis

 

Leitsatz (amtlich)

Im Fall einer Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO bedarf es zur Führung des Gegenbeweises gegen die Richtigkeit der in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsachen nicht bloß des Vortrags, es werde keine entsprechende Empfangseinrichtung unterhalten, sondern es ist näherer Vortrag dazu erforderlich, auf welchem Weg den Adressaten Post gewöhnlich erreicht.

 

Orientierungssatz

Eine taugliche Ersatzzustellung ist auch dann anzunehmen, wenn das zuzustellende Schriftstück in einen von dem Adressaten tatsächlich genutzten Geschäftsbriefkasten geworfen wird (vgl OLG Koblenz vom 17.2.2009 - 5 W 109/09 = JurBüro 2010, 154).

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 27.07.2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist nicht gemäß § 172 Abs 3 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 29 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl I 2008, 444) ausgeschlossen und daher statthaft. Das Sozialgericht Mannheim (SG) hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe (PKH) verneint, sondern die Bewilligung von PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt. Die am Montag, 03.09.2012, beim SG eingegangene Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des SG vom 27.07.2012, mit dem das SG die Gewährung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt K. abgelehnt hat, und der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 02.08.2012 zugestellt worden war, ist fristgerecht (§ 173 SGG) und zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Senat schließt sich der Auffassung des SG an, weist die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG von einer weiteren Begründung ab.

Ergänzend weist der Senat aufgrund einer im PKH-Verfahren ausreichenden summarischen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht (§ 73a SGG iVm § 114 ZPO) auf Folgendes hin: Der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2006 war der Klägerin am 12.01.2006 mittels Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten der Klägerin zugestellt und damit bekannt gegeben worden (§§ 39 Abs 1, 37 Abs 5, § 65 Abs 2 SGB X, § 1 LVwZG RP iVm § 3 Abs 1 und 2 Satz 1 VwZG iVm § 180 ZPO). Dies wird durch die über die Ersatzzustellung gefertigte Zustellungsurkunde bewiesen. Die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde iSd § 415 ZPO, ihr kommt gemäß §§ 182 Abs 1 Satz 2, 418 Abs 1 ZPO Beweiskraft zu (zum Umfang der Beweiskraft vgl Stöber in Zöller ZPO, 29. Auflage, § 182 Rdnr 14). Die Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde begründet den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen - im vorliegenden Fall die fehlende Möglichkeit der Übergabe des Bescheids und die Einlegung in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche geeignete Vorrichtung (Voraussetzungen der Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO) am 12.01.2006. Der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsachen ist zulässig (§ 418 Abs 2 ZPO), erfordert aber vollen Beweis unter substantiierter Darlegung und Nachweis des Gegenteils (Stöber aaO Rdnr 15 unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschluss 20.02.2002, 2 BvR 2017/01, NJW-RR 2002, 1008; BGH 10.11.2005, III ZR 104/05, NJW 2006, 150, 151). Der Gegenbeweis wird nicht schon durch die bloße Behauptung, das betreffende Schriftstück nicht erhalten zu haben, erbracht, weil es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Vielmehr erfordert der Gegenbeweis der Unrichtigkeit den Beweis eines anderen als in der Zustellungsurkunde bezeugten Geschehensablaufs; nur so wird ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (BSG 13.11.2008, B 13 R 138/07 B, juris). Deshalb bedarf es im Falle der Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO nicht bloß des Vortrages, es werde keine entsprechende Empfangseinrichtung unterhalten, sondern es ist näherer Vortrag dazu erforderlich, auf welchem Wege den Adressaten Post gewöhnlich erreicht (Häublein in Münchener Kommentar ZPO, 3. Auflage, § 182 Rdnr 15).

Vorliegend ist schon nicht hinreichend dargetan, dass es sich bei dem unstreitig vorhandenen Briefkasten nicht um einen zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten oder “eine ähnliche Einrichtung„, die die Klägerin für den Empfang ihrer Post eingerichtet hat, gehandelt hat. Zwar hat die Klägerin vortragen lassen, es habe sich bei dem an dem damaligen Haus angebrachten Briefkasten um denjenigen der sich im selben Haus befindlichen Gaststätte ihres Ehemannes gehandelt. Doch wird damit nicht dargelegt, dass es sich...

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