Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Statusfeststellungsverfahren. Aufhebung einer Entscheidung über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht gegenüber dem Adressaten des Verwaltungsakts nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB 10. kein Wahlrecht eines Versicherungsträgers zwischen Widerspruch und Klage im Fall des § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Rentenversicherungsträger bei der Einzugsstelle (§ 28i SGB 4) die Aufhebung einer von dieser getroffenen Entscheidung über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht, kann die Einzugsstelle ihre Entscheidung gegenüber dem Adressaten des Verwaltungsakts nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB 10 zurücknehmen; § 49 SGB 10 ist auf diesen Fall nicht anwendbar.
2. Ein Versicherungsträger hat im Fall des § 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG kein Wahlrecht zwischen Widerspruch und Klage.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom
Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung ab dem 1. August 1995 aufgrund seiner Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 1) streitig.
Der am 12. August 1971 geborene Kläger, der Mitglied der Beklagten ist, ist gelernter Industriekaufmann (Fachwirt). Der Beigeladene zu 1), sein Vater, betreibt die Einzelhandelsfirma “P. G. Steuerungstechnik„. Seit dem 1. August 1995 ist der Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) als leitender Angestellter tätig. Er ist nach eigenen Angaben alleinverantwortlich für das Lager, die EDV, den Einkauf und die Logistik. Für diese Tätigkeit erhält er monatlich 3.256,-- € brutto. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen.
Am 30. September 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Er sei als leitender Angestellter in der Firma seines Vaters tätig und zahle Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung. Ihm sei bekannt geworden, dass in letzter Zeit die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 3) in einigen Fällen die Zahlung von Arbeitslosengeld den Angehörigen der Inhaber eines Unternehmens verweigere, da sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterfielen. Es werde regelmäßig eine Mitunternehmerstellung in der Firma angenommen. Auch Renten wegen Erwerbsminderung würden deshalb abgelehnt. Um für die Zukunft sicher zu gehen, bat er die Beklagte, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu überprüfen. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gaben der Kläger und der Beigeladene zu 1) unter dem 20. September 2005 an, eine feste Arbeitszeit sei nicht vereinbart worden, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrage jedoch 50 bis 60 Stunden. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung sei nicht geschlossen worden, ebenso fehle eine Vereinbarung im Hinblick auf einen Urlaubsanspruch, eine Kündigungsfrist und die Fortzahlung von Arbeitsentgelt bei Arbeitsunfähigkeit. Er erhalte monatlich 3.256,-- € brutto, wobei dieser Betrag auf ein privates Bank-/Girokonto überwiesen, Lohnsteuer entrichtet und als Betriebsausgabe gebucht werde. Ohne seine Mitarbeit müssten andere Arbeitskräfte eingestellt werden. Er sei an Weisungen des Betriebsinhabers nicht gebunden und könne seine Tätigkeit frei bestimmen. Zudem wirke er bei der Führung des Betriebs mit und die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Er erhalte mündlich vereinbarte Tantieme, je nach Erfolg des Unternehmens. Am Betrieb des Beigeladenen zu 1) sei er jedoch nicht beteiligt. Auch habe er dem Betrieb/Betriebsinhaber keine Darlehen gewährt.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2005, gerichtet an den Kläger, stellte die Beklagte fest, dass seit dem 1. August 1995 kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, das Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung begründe. Gegen eine versicherungspflichtige Beschäftigung spreche, dass der Kläger nicht an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführungen der Arbeit gebunden sei, er seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten könne, aufgrund der besonderen Fachkenntnisse bei der Führung des Betriebes mitwirke und die Mitarbeit aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt sei. Zudem bestehe keine Regelung zum Urlaubsanspruch und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Bescheid enthielt ua den Hinweis, dass er einen Antrag auf Beitragserstattung bei der Beigeladenen zu 2) stellen könne. Darüber hinaus enthielt er folgenden Passus: “Bitte legen Sie dem Rentenversicherungsträger und der Agentur für Arbeit außer den Beitragserstattungsanträgen unsere Entscheidung zur versicherungsfreien Beschäftigung und Ihren Feststellungsbogen bei.„ Die beigefügte Rechtsb...