Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Mischeinkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Verschiebung des Bemessungszeitraums. Mutterschutz. vorgeburtliches Beschäftigungsverbot. Nichtbestehen bei Bereiterklärung zur Arbeitsleistung. kein Beschäftigungsverbot für Selbstständige. Bezug von Mutterschaftsgeld. Erforderlichkeit eines tatsächlichen Bezugs
Leitsatz (amtlich)
Eine Verschiebung des für die Errechnung von Elterngeld maßgeblichen Bemessungszeitraums aufgrund des vorgeburtlichen Beschäftigungsverbotes gemäß § 3 Abs 2 MuSchG erfolgt nicht, wenn sich die werdende Mutter ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklärt hat und tatsächlich ihre (abhängige) Beschäftigung weiter ausübt. Für werdende Mütter, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt das Beschäftigungsverbot des § 3 Abs 2 MuSchG nicht. Eine Verschiebung des Bemessungszeitraumes kommt bei Selbständigen nur in Betracht, wenn sie Mutterschaftsgeld beziehen.
Orientierungssatz
Für die Verschiebung des Bemessungszeitraums wegen Erhalts von Mutterschaftsgeld nach § 2b Abs 1 S 2 Nr 2 Alt 2 BEEG kommt es auf den tatsächlichen Bezug der Leistung für den bewilligten Zeitraum an (hier verneint wegen Aufhebung der Bewilligung vor der Auszahlung).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.04.2017 wird zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 26.10.2017 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngelds für ihre am … 2016 geborene Tochter K. (im Folgenden K).
Die 1973 geborene Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin. Sie ist verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Ehemann und den Kindern K. (geboren am ... 2013) und K in einem Haushalt in Deutschland. Für die Tochter K. bezog die Klägerin vom 25.06.2013 bis 24.05.2014 Elterngeld.
Am 25.05.2014 nahm die Klägerin eine selbstständige Tätigkeit als Ärztin im Nachtdienst einer Klinik auf. Ab 01.06.2014 war sie zudem als angestellte Ärztin in der Praxis des niedergelassenen Arztes Dr. L. versicherungspflichtig beschäftigt.
Nach Feststellung der Schwangerschaft mit K Ende Juni 2015 beendete die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit zum 27.06.2015 aufgrund des Verbots der Nachtarbeit für werdende Mütter. Ihre Tätigkeit bei Dr. L. setzte die Klägerin auch über den Beginn der Mutterschutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG (23.12.2015) hinaus fort; sie arbeitete und bezog Arbeitsentgelt bis zum 31.01.2016.
Mit Schreiben vom 08.02.2016 teilte die Krankenkasse der Klägerin dieser mit, dass sie vom 23.12.2015 bis 02.02.2016 Mutterschaftsgeld in Höhe von insgesamt 546 € erhalte. Nachdem die Krankenkasse erfahren hatte, dass die Klägerin bis zum 31.01.2016 weitergearbeitet hat, führte sie mit Schreiben vom 25.02.2016 aus, dass die Schutzfrist während der Weiterarbeit ruhe und insoweit kein Anspruch auf Zahlung von Mutterschaftsgeld für diesen Zeitraum bestehe. Die Klägerin erhalte vom 01.02.2016 bis 30.03.2016 Mutterschaftsgeld in Höhe von insgesamt 767 €. Die bereits gezahlte Leistung werde verrechnet. Diesen Zeitraum bescheinigte die Krankenkasse auch für den Elterngeldantrag.
Die Klägerin beantragte am 16.03.2016 Elterngeld für den 1.-12. Lebensmonat von K. Im Antrag gab sie unter anderem an, dass sie im Bezugszeitraum voraussichtlich kein Einkommen erziele. Am 09.05.2016 nahm sie ihre Beschäftigung bei Dr. L. wieder auf. Für die Dauer der Elternzeit betrug der Umfang der Beschäftigung acht Arbeitsstunden pro Woche. Vom 01.02.2016 bis 30.03.2016 erhielt sie einen Zuschuss vom Arbeitgeber in Höhe von kalendertäglich 43,22 €.
Mit Schreiben vom 17.03.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie dem Elterngeldanspruch das Einkommen im Kalenderjahr 2015 zugrunde lege und forderte weitere Unterlagen an. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 17.04.2016 einen Verschiebetatbestand geltend. Sie habe ihre selbstständige Tätigkeit aufgrund des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 2 MuSchG und des Verbotes von Nachtarbeit nach § 8 Abs 1 MuSchG einstellen müssen. Aufgrund der Schwangerschaft und des Mutterschutzes sei ihr aufgrund dieses Beschäftigungsverbotes ein erheblicher finanzieller Nachteil entstanden. Zudem habe ihr vom 23.12.2015 bis 30.03.2016 grundsätzlich Mutterschaftsgeld zugestanden. Im November 2015 habe sie die Elterngeldberatungsstelle der Beklagten in K. aufgesucht und sich bezüglich Elterngeld und insbesondere der Frage nach einer Weiterarbeit bei ihrem Arbeitgeber während der Mutterschutzfrist beraten lassen. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe mitgeteilt, dass es ihr freigestanden habe, trotz Anspruch auf Mutterschaftsgeld weiterzuarbeiten. Auch wenn die Krankenkasse kein Mutterschaftsgeld ausbezahle, ändere dies jedoch nichts daran, dass der Zeitraum schon ab Dezember 2015 beginne und somit ein Verschiebetatbestand vorliege. Auf erneute Nachfrage, ob sie wirklich während der Mutterschutzfrist ohne Nachteile bei der ...