Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Versicherungfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze
Leitsatz (amtlich)
Wechselt ein in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherter Arbeitnehmer in ein neues Beschäftigungsverhältnis und übersteigt das dort regelmäßig erzielte Entgelt von Beginn der Beschäftigung an die Jahresarbeitsentgeltgrenze, ist bei der Ermittlung des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach einer vorausschauenden Betrachtung auf die gegenwärtigen und bei normalem Verlauf für ein Zeitjahr (aktuelle Entlohnung hochgerechnet auf 12 Monate) zu erwartenden Einkommensverhältnisse abzustellen. Übersteigt das Entgelt hiernach die Jahresarbeitsentgeltgrenze, tritt Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten ist, sondern bereits mit der Aufnahme des (neuen) Beschäftigungsverhältnisses ein. § 6 Abs. 4 SGB V findet in dieser Konstellation keine Anwendung.
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nrn. 1, 13, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Sätze 1-2, Abs. 6 Sätze 1-2, Abs. 7, § 9 Abs. 1 S. 1, § 188 Abs. 4 Sätze 1-2, § 190 Abs. 2, § 233 Abs. 3, § 240 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, § 250 Abs. 2, § 252 S. 1, § 257 Abs. 2 S. 1; SGB XI § 20 Abs. 3, § 49 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 57 Abs. 4 S. 1, § 59 Abs. 4, § 60 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 14 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 153 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.01.2018 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid vom 07.01.2019 wird abgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.10.2014.
Die im Jahr 1967 geborene Klägerin, Mutter eines am 29.06.2001 geborenen Sohnes, war bis zum 30.09.2014 - in allen Bereichen der Sozialversicherung - versicherungspflichtig als Assistenzärztin in der F. Dr. A. beschäftigt. Entsprechend der vertraglichen Abrede erzielte sie hieraus im Jahr 2014 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 3.700,- €.
Seit dem 01.10.2014 ist die (fortan) von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreite Klägerin, zunächst befristet, seit dem 01.01.2016 unbefristet, bei der DRV Bund als Assistenzärztin, zuletzt im Reha-Zentrum Bad M., beschäftigt. Der Entlohnung der Klägerin lag die Entgeltgruppe I, Stufe 5, des Tarifvertrages für die DRV Bund zu Grunde. Das monatliche Grundentgelt belief sich hierbei ab dem 01.10.2014 auf 4.932,85 € brutto, ab dem 01.03.2015 auf 5.051,24 €. Daneben wird ihr ein Arbeitgeberzuschuss zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung gewährt. Unter Berücksichtigung diverser Zuschläge belief sich das Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin im Zeitraum 01.10. - 31.12.2014 auf 14.860,31 €, im Jahr 2015 auf insg. 73.507,16 €. Die DRV Bund meldete die Klägerin für ihre Tätigkeit unter der Prämisse einer nicht-krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung nur zur Arbeitslosenversicherung an.
Mit Bescheid vom 23.08.2016, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, entschied die Beklagte zu 1) unter dem Betreff “Ihre Kranken- und Pflegeversicherung als freiwilliges Mitglied„, dass die Klägerin ab dem 01.10.2014 freiwillig bei ihnen, den Beklagten, versichert sei. Ab dem 01.01.2016 belaufe sich der Beitrag zur Krankenversicherung auf monatlich 661,06 €, der zur Pflegeversicherung auf 110,18 € monatlich. Das Beitragskonto weise, so die Beklagte zu 1) weiter, aktuell einen Rückstand i.H.v. 16.520,94 € auf.
Mit einem weiteren Bescheid vom 07.11.2016, der ausdrücklich auch im Namen der Beklagten zu 2) erging, setzte die Beklagte zu 1) die laufenden Beiträge ab dem 01.10.2016 auf 661,06 € zur Krankenversicherung und auf 99,58 € zur Pflegeversicherung fest. Für die Zeit vom 01.10. - 31.12.2014 habe sich der monatliche Beitrag auf 627,75 € zur Krankenversicherung und auf 93,15 € zur Pflegeversicherung belaufen, weswegen für das Jahr 2014 2.162,70 € nachzuberechnen seien. Für die Zeit vom 01.01. - 31.12.2015 habe der monatliche Beitrag 639,38 € zur Krankenversicherung und 107,25 € zur Pflegeversicherung betragen, weswegen für das Jahr 2015 8.959,56 € nachzuberechnen seien. Für die Zeit vom 01.01. - 31.08.2016 habe sich der monatliche Beitrag auf 661,06 € zur Krankenversicherung und auf 110,18 € zur Pflegeversicherung belaufen, weswegen für diesen Zeitraum 6.169,92 € nachzuberechnen seien. Durch die nachgewiesene Elterneigenschaft beliefe sich im September 2016 der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung auf 661,06 € und auf 107,25 € zur Pflegeversicherung. Zum 30.11.2016 bestehe daher ein Beitragsrückstand i.H.v. insg. 18.052,82 €, auf den die Klägerin bereits 1.542,48 € entrichtet habe, sodass sich die offene Forderung auf 16.510,34 € belaufe. Die Beklagte zu 1) führte fe...