Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. sonstiger Versicherungspflichtiger. Bezug von Mutterschaftsgeld. unmittelbarere Anschluss an die dreijähriger Erziehungszeit. Einzelfallprüfung. Lücke von 45 Tagen. Verfassungswidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht zwischen dem Ende einer Versicherungspflicht aufgrund einer Erziehungszeit und dem Bezug von Mutterschaftsgeld aufgrund einer weiteren Schwangerschaft eine Lücke von 45 Tagen, kann dies dennoch dem Erfordernis der Unmittelbarkeit iSv § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III genügen. Die Unmittelbarkeit ist unter Berücksichtigung des Einzelfalles, hier des Umstandes der dem Beginn des Mutterschaftsgeldes innewohnenden Zufälligkeit und dem in Art 6 Abs 4 GG verankerten Schutz von Mutter und Kind, wozu auch eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung vor Arbeitslosigkeit gehört, zu bestimmen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Mai 2018 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld über den 6. November 2016 hinaus begehrt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 31.03.2016 streitig.

Die 1981 geborene Klägerin war vom 01.09.2000 an bis einschließlich 28.02.2007 bei der Firma A.-B. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Sie bezog bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis ab dem 01.03.2007 bis einschließlich 07.06.2007 Mutterschaftsgeld seitens der AOK und ab der Geburt ihres ersten Kindes C. am 30.03.2007 Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Die Klägerin bezog ab dem 16.03.2009 bis einschließlich 22.06.2009 Mutterschaftsgeld im Hinblick auf die Geburt ihres zweiten Kindes D. am 23.04.2009 und anschließend bis einschließlich 22.04.2010 Elterngeld. Ab dem 07.06.2012 bis einschließlich 13.09.2012 bezog die Klägerin neuerlich Mutterschaftsgeld und entband am 13.07.2012 ihr drittes Kind S., für das sie vom 13.09.2012 bis 12.09.2013 Elterngeld bezog.

Im Frühjahr 2016 trat die Klägerin an ihren bisherigen Arbeitgeber heran, mit der Bitte um Prüfung, ob eine Wiederaufnahme ihres Beschäftigungsverhältnisses in Teilzeit möglich sei. Unter dem 24.03.2016 teilte der bisherige Arbeitgeber mit, dem Wunsch der Klägerin, das Arbeitsverhältnis von Vollzeit in Teilzeit abzuändern, könne aus betrieblichen Gründen nicht entsprochen werden. Infolgedessen, dass die Klägerin ihrer bisherigen Beschäftigung bei der A.-B. GmbH nicht mehr nachkommen könne, gehe man davon aus, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.03.2016 im gegenseitigen Einvernehmen ende. Das Schreiben enthielt keinen Hinweis auf die Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsuchendmeldung. Die Klägerin meldete sich daraufhin am 31.03.2016 persönlich bei der Beklagten arbeitsuchend und zugleich mit Wirkung zum 31.03.2016 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Unter Verweis auf die nötige Betreuung ihrer drei Kinder schränkte sie ihre Verfügbarkeit auf 20 Stunden pro Woche ein.

Mit Bescheid vom 09.06.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alg ab. Die Klägerin sei in der Rahmenfrist vom 31.03.2014 bis 30.03.2016 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe deshalb die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2016 als unbegründet zurück. Weder die Zeit der Erziehung des Kindes S. bis zur Vollendung von dessen dritten Lebensjahr noch die Zeit des Bezugs des Mutterschaftsgeldes ab dem 07.06.2012 könne in der genannten Rahmenfrist berücksichtigt werden, da unmittelbar vor diesem Zeitpunkt keine weitere Versicherungspflicht, beispielsweise aufgrund einer weiteren Zeit der Kindererziehung, bestanden habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.06.2016 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Alg ab dem 31.03.2016 begehrt hat. Sie habe wegen der nach wie vor erforderlichen Kinderbetreuung ihre bisherige Vollzeittätigkeit bei der A.-B. GmbH nicht wieder aufnehmen können. Der Arbeitgeber habe ihr aber eine Teilzeittätigkeit verweigert, auf welche sie aufgrund der Betriebsgröße auch keinen Rechtsanspruch gehabt habe, weshalb sie sich zum 31.03.2016 arbeitslos gemeldet habe. Angesichts der bei ihr vorliegenden überlappenden Elternzeiten liege ein durchgehendes Versicherungspflichtverhältnis vor. Zu beachten sei, dass die Mutterschutzfrist am 01.06.2012 begonnen habe und der Zeitraum vom 23.04.2012 bis 31.05.2012 nur wenig mehr als einen Monat betrage, sodass das Erfordernis der Unmittelbarkeit erfüllt sei. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Versicherungspflicht aufgrund der Erziehung des am 23.04.2009 geborenen Sohnes D. am 22.04.2012 geendet habe und unabhängig davon, ob die Klägerin Mutterschaftsgeld bezogen habe, es aufgrund der Unterbrechung vo...

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