Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme einer Befreiungsentscheidung nach § 8 Abs 1 SGB 5 betrifft nur subjektive Rechte des versicherten Arbeitnehmers. keine materielle Beschwer des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rücknahme einer Befreiungsentscheidung nach § 8 Abs 1 SGB V betrifft allein subjektive Rechte des versicherten Arbeitnehmers. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber durch einen solchen Rücknahmebescheid nicht in eigenen Rechten verletzt ist und eine materielle Beschwer nicht besteht.
2. Bloße aus der Rücknahmeentscheidung resultierende, mit Kosten verbundene Folgewirkungen (im Sinne eines Reflexes) reichen in derartigen Fällen für die Annahme einer materiellen Beschwer nicht aus.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz sowie für das Berufungsverfahren auf 5.000 € endgültig festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich als Arbeitgeberin gegen die Rücknahme einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, die ihrem beigeladenen Arbeitnehmer von der beklagten Krankenkasse erteilt worden ist.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Autohaus. Der 1962 geborene Beigeladene zu 2 ist bei ihr als Kfz-Meister beschäftigt. Sein Arbeitsentgelt überschritt in den Jahren 2002 bis 2014 die jeweils gültige Jahresarbeitsentgeltgrenze. Er ist seither bei der A AG privat krankenversichert. Mit dem monatlichen Gehalt zahlte die Klägerin ihm jeweils einen „freiwilligen Arbeitgeberanteil“ zur Kranken- und Pflegeversicherung aus. Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 erhielt der Beigeladene zu 2 von der Klägerin ein jährliches Bruttoentgelt in Höhe von 48.809,20 €.
Am 16. Januar 2018 führte der beigeladene Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 1) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte er fest, dass der Beigeladene zu 2 ab dem 1. Januar 2015 infolge Unterschreitens der besonderen Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -) in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig geworden sei. Mit Schreiben vom 22. Februar 2018 hörte er die Klägerin deshalb zu einer Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 26.674,12 € für die Kalenderjahre 2015 bis 2017 an. Dabei führte er u.a. aus, im Rahmen der Betriebsprüfung habe keine Befreiung von der Krankenversicherung vorgelegt werden können.
Daraufhin beantragte der Beigeladene zu 2 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht rückwirkend ab dem 1. Januar 2015. Er wies darauf hin, dass er den Antrag erst jetzt stellen könne, da erst im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung festgestellt worden sei, dass er seit dem 1. Januar 2015 versicherungspflichtig geworden sei.
Mit an ihn und die Klägerin gerichteten Bescheiden vom 9. März 2018 befreite die Beklagte den Beigeladenen zu 2 ab dem 1. Januar 2015 von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin legte den Befreiungsbescheid der Beigeladenen zu 1 im Rahmen der Anhörung zum Erlass des Prüfbescheides vor. Mit Schreiben vom 26. März 2018 machte diese die Beklagte darauf aufmerksam, dass die Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen und der Befreiungsantrag zudem auch nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten nach Beginn der Krankenversicherungspflicht gestellt worden sei, und forderte sie auf, den Bescheid vom 9. März 2018 deshalb nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2015 zurückzunehmen.
Mit wiederum an die Klägerin und den Beigeladenen zu 2 gerichtetem Bescheid vom 28. März 2018 nahm die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 9. März 2018 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Entscheidung über Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit obliege nicht mehr der Einzugsstelle, wenn durch den Träger der Rentenversicherung ein Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bereits eingeleitet worden sei. Der Bescheid, dem die Beklagte eine Kopie des Schreibens der Beigeladenen zu 1 vom 26. März 2018 beifügte, enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Die Beigeladene zu 1 erließ in der Folge den angekündigten Prüfbescheid (Bescheid vom 8. Mai 2018), gegen den die Klägerin Widerspruch einlegte. Auf Antrag der Klägerin setzte die Beigeladene zu 1 den Vollzug der nacherhobenen Beitragsforderung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus (Bescheid vom 21. Juni 2018). In der Folge wurde das Widerspruchsverfahren ruhend gestellt.
Am 23. Mai 2018 beantragte die Klägerin vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 28. März 2018 nach § 44 SGB X. Zur Begründung trug sie vor, der Bescheid sei rechtswidrig, weil er an sie adressiert worden sei, es aber tatsächlich um die Frage ge...