Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Belastungsgrenze. Angehörige des Versicherten. Zuzahlungen. Freibetrag. Bruttoeinnahmen. Haushalt
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze sind als Angehöriger auch die im Haushalt des Versicherten lebenden Kinder zu berücksichtigen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.
Normenkette
SGB V § 62 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. August 2005 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheids vom 06. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2005 der Klägerin für im Jahr 2004 geleistete Zuzahlungen weitere € 109,44 zu erstatten. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin erstrebt Erstattung von Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2004.
Die am ....1960 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie ist mit einem Beamten des gehobenen Dienstes verheiratet und die Mutter der gemeinsamen Kinder D. (geboren 1983), die nicht mehr im Haushalt lebt, sowie der noch im Haushalt lebenden R. (geboren 1986), S. (geboren 1988) und H. (geboren 1989). Ihr beihilfeberechtigter Ehemann und die vier gemeinsamen Kinder sind privat gegen Krankheit versichert. Die Klägerin ist an seit 1995 gesicherter Multipler Sklerose erkrankt und bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sich seit 01. Juli 2003 auf € 607,50 brutto monatlich belief. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 sowie eine außergewöhnliche Gehbehinderung festgestellt.
Am 03. August 2004 beantragte die Klägerin Befreiung von Zuzahlungen zur Krankenversicherung für das Jahr 2004. Sie legte das Einkommen des Ehemannes in Höhe von € 4.067,13 im Mai 2004 offen und machte geltend, die drei Kinder müssten mit einem Freibetrag von je € 3.648,00 berücksichtigt werden. Hieraus ergebe sich, dass der Eigenanteil von 1 v.H. der maßgeblichen Einnahmen (€ 408,00) durch die 2004 angefallenen eigenen Aufwendungen (€ 500,24) bereits um € 92,24 überschritten sei.
Die Beklagte erläuterte im Schreiben (Bescheid) vom 06. August 2004, beim anrechenbaren Einkommen von € 51.520,56 betrage die jährlich begrenzte Zuzahlung € 515,21. Werde diese Grenze während des laufenden Jahres um € 50,00 überschritten, könne eine Befreiung schon während des laufenden Jahres geprüft werden. Der Freibetrag für den Ehepartner belaufe sich auf € 4.347,00, während die Kinder nicht berücksichtigt werden könnten, weil diese nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert seien. Bisher seien Zuzahlungen erst in Höhe von € 460,72 angefallen.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es könne nicht richtig sein, dass zwar das Einkommen des Ehemannes in voller Höhe herangezogen werde, die Kinder aber nicht berücksichtigt würden. Der Begriff der Kinder gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) lehne sich ausdrücklich an das Einkommensteuergesetz (EStG) an; eine Familienversicherung dürfe nicht gefordert werden. Im Übrigen seien die Kinder Angehörige im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB V; in Satz 3 2. Halbsatz der Vorschrift sei vorgesehen, dass für Kinder eine Kürzung nach Satz 2 nicht zusätzlich möglich sei, um eine doppelte Entlastung zu verhindern. Die Kinder seien die mit ihr im Haushalt lebenden Angehörigen, die von ihr und dem Ehemann unterhalten würden. Bei fehlendem eigenen Einkommen müsse dann für die Kinder wenigstens der Freibetrag für Angehörige in Höhe von 10 v.H. von € 28.980,00, also drei mal € 2.898,00 berücksichtigt werden. Insgesamt hätten die Zuzahlungen im Jahr 2004 € 786,06 betragen (Schreiben vom 12. Januar 2005). Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2005. Zum 01. Januar 2004 seien leistungsrechtliche Gesetzesänderungen eingetreten. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hätten in einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 26. November 2003 niedergelegt, dass die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für jedes familienversicherte Kind um den Freibetrag nach EStG zu mindern seien. In der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände zum Leistungsrecht am 28./29. Juli 2004 sei diese Rechtsauffassung bestätigt worden. Sie sei bereits seit Inkrafttreten des SGB V 1989 unbeanstandet so angewandt worden.
Mit der am 16. Februar 2005 zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobenen Klage verblieb die Klägerin dabei, die Beschränkung des Freibetrags auf familienversicherte Kinder könne nicht einleuchten. Zwischen der hier anzuwendenden Regelung und der Familienversicherung der Kinder sei kein Zusammenhang erkennbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte den “vorläufigen Bescheid„ vom 06. April 2005 vor, der für 2004 e...