Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht. Aufhebung bzw Rückforderung von Leistungen des SGB 2 gegenüber dem einzelnen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft. Bestimmtheitsgebot

 

Orientierungssatz

1. Eine hinreichende Erfolgsaussicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht ggf von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist.

2. Das Aufhebungsrecht ist das Spiegelbild des Leistungsanspruchs. Bei der Aufhebung von Leistungen des SGB 2 gegenüber Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft muss der Rückforderungsbescheid zum Ausdruck bringen, welchem einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gegenüber Leistungen für welchen Zeitraum in jeweils welcher Höhe zurückgefordert werden.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Januar 2008 wird aufgehoben.

Der Klägerin wird für das Verfahren erster Instanz ab dem 7. Januar 2008 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten bewilligt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) vor.

Nach § 114 S. 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend für das sozialgerichtliche Verfahren.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren liegen bei der Klägerin vor. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Beschluss zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinn verneint.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebietet in Verbindung mit dem unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ins Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07, 1BvR 70/07, 1 BvR 71/07 -, rech. bei juris Rn. 8 ff.). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können ( BVerfG a.a.O. und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241, 242). Demnach ist ausgehend vom für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7a).

Dies zugrunde gelegt ergeben sich vorliegend hinreichende Erfolgsaussichten. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Teilaufhebung der ursprünglichen, das zwischenzeitlich erzielte Unterhaltseinkommen des Sohns der Klägerin noch nicht berücksichtigenden Leistungsbewilligung erscheint nicht ohne weiteres rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, sei es, dass er auf § 45 oder § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) gestützt wird, unterliegt zumindest Zweifeln, weil er entgegen § 33 Abs. 1 SGB X schon nicht hinreichend bestimmt sein dürfte.

Bei dem in § 33 Abs. 1 SGB X geregelten Bestimmtheitsgebot handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient...

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