Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweilige Anordnung. Krankenversicherung. Bestehen eines Versicherungsverhältnisses oder Verpflichtung zur Leistungserbringung dem Grunde nach. Versicherungspflicht bei rückwirkender Anfechtung eines Privatversicherungsvertrags
Orientierungssatz
1. Versicherungspflichtig sind nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren (Festhaltung an LSG Berlin-Potsdam vom 7.1.2008 - L 1 B 336/07 KR ER und vom 10.4.2013 - L 1 KR 1/13 B ER).
2. Im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines privaten Krankenversicherungsvertrags ist eine rückwirkende Beendigung durch Anfechtung nach § 142 Abs 1 BGB dann zu berücksichtigen, wenn aus dem Vertrag faktisch kein Versicherungsschutz in Anspruch genommen worden ist. Die zivilrechtliche Entscheidung einer rückwirkenden Nichtigkeit des Krankenversicherungsvertrags ist auch im Sozialversicherungsrecht zu beachten (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 10.4.2013 - L 1 KR 1/13 B ER aaO).
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellerinnen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Der Antrag der Antragstellerinnen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Dezember 2014 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu gewähren.
Der Antrag der Antragstellerinnen ist als solcher auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen. Das Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ist vorliegend nicht einschlägig, weil die Antragstellerinnen ihr Rechtsschutzziel nicht durch die vorläufige Beendigung der Wirkungen eines Verwaltungsaktes erreichen können, sondern gerade die, ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 29. Oktober 2014 (mündlich) abgelehnte, Feststellung eines Versicherungsverhältnisses begehren. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschlüsse vom 7. Januar 2008 - Az.: L 1 B 336/07 KR ER - und vom 10. April 2013 - L 1 KR 1/13 B ER -, zitiert jeweils nach juris) fest, dass im Wege der einstweiligen Anordnung auch die Feststellung des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses oder die Verpflichtung der Krankenkasse zur Erbringung der gesetzlichen Leistungen dem Grunde nach erfolgen kann. Ob die Voraussetzungen einer solch weitgehenden Regelungsanordnung vorliegen, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Ein Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist nur gegeben, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu muss der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen.
Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist auszugehen, wenn nach (summarischer) Prüfung die Hauptsache Erfolgsaussicht hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Nach gegenwärtigem Sachstand ist die Versicherungspflicht der Antragstellerin zu 1), die ausweislich ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. Januar 2015 über keine Einnahmen verfügt, insbesondere auch keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht, nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V überwiegend wahrscheinlich.
Danach sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Die Antragstellerin zu 1) war zuletzt, bis zum 31. März 2008, gesetzlich krankenversichert.
Ein Versicherungsschutz aus einer privaten Krankenversicherung bestand in der Folgezeit nicht.
Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 10. April 2013 (a. a. O.) zum Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes in der Parallelnorm des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V entschieden, dass im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines privaten Krankenver...