Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch bei beruflicher Weiterbildung. Bildungsgutschein über berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme. Aufnahme der Weiterbildungsmaßnahme in Vollzeit
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen von Arbeitslosengeld aus Anlass von einer Weiterbildungsmaßnahme.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der erstinstanzliche Tenor (im ersten Absatz) lautet:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller ab 13. Mai 2015 Arbeitslosengeld in der täglichen Höhe von 28,37 Euro bis zur Beendigung der mit Bescheid vom 28. November 2014 genehmigten Weiterbildungsmaßnahme, längstens jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache zu gewähren.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Soweit der erstinstanzliche Tenor (im ersten Absatz) neugefasst worden ist, hat dies nur klarstellende Bedeutung.
Das Sozialgericht hat zu Recht dem Antrag des Antragstellers auf (vorläufige) Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für eine Weiterbildungsmaßnahme nach Auslaufen der Bewilligung von Alg gemäß § 136 ff. SGB III am 12. Mai 2015 stattgegeben.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs sowie ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbe-dürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht sind. “Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich„ (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Juris Rn. 26), so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG a.a.O.). Insofern stellt Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen könnten, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 24).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch in vorstehendem Sinne mit der für dieses Verfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
Anspruch auf Alg gemäß § 144 Abs. 1 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung des Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III (vormals § 124a SGB III) hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Der Antragsteller verfügte über einen Anspruch auf Alg (nach § 136 ff. SGB III) aufgrund des Bewilligungsbescheides der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2014 für die Dauer von 360 Tagen (bis 12. Mai 2015) mit einer täglichen Leistungshöhe von 28,73 Euro. Die Antragsgegnerin hatte ihm auch mit Bescheid vom 28. November 2014 Leistungen für die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme vom 1. Dezember 2014 bis 30. November 2015 nach §§ 81 und 83 ff. SGB III bewilligt, aber (wohl nur) mündlich am 24. April 2015 auf seinen Antrag (“Kd. hatte Antrag AlgW in September für die FbW 922/156/13 ab 1.12.14 eingestellt„, siehe hierzu u.a. Vermerk vom 21. April 2015) darüber informiert, dass “… kein Anspruch ALG-W besteht …„. Auf einen Überprüfungsantrag des Antragstellers zum Bescheid vom 28. November 2014 ist die Antragsgegnerin dabei geblieben, dass dem Antragsteller kein Alg gemäß § 144 SGB III zu bewilligen sei, weil die Weiterbildungsmaßnahme nur berufsbegleitend bewilligt worden sei; Bescheid vom 24. April 2015; Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2015; wogegen sich nach Angaben der Antragsgegnerin auch eine Klage richtet.
Der Antragsgegnerin ist zwar zuzugeben, dass aus de...