Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von anrechnungsfreiem Arbeitslosengeld. versicherungspflichtige Tätigkeit. Freibetrag nach § 141 Abs 1 SGB 3. Anrechnung bezogener Nebeneinkünfte auf das gewährte Arbeitslosengeld
Orientierungssatz
1. Auf das Arbeitslosengeld ist nach § 141 Abs. 1 SGB 3 das Arbeitsentgelt aus einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung, die der Arbeitslose während einer Zeit ausgeübt hat, für die ihm Arbeitslosengeld zusteht, anzurechnen, abzüglich von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Werbungskosten.
2. Die Gewährung des nach § 141 Abs. 2 SGB 3 anrechnungsfreien Arbeitslosengeldes verlangt, dass neben der versicherungspflichtigen Tätigkeit die geringfügig ausgeübte Tätigkeit in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs mindestens 12 Monate lang gleichzeitig ausgeübt worden sein muss. Notwendig ist, dass die Nebeneinkünfte in den letzten 18 Monaten nicht überwiegend den Lebensstandard des Arbeitslosen bestimmt, sondern lediglich verbessert haben.
3. Mithilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ein Verhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigt werden, als die Korrektur mit dem Gesetz in Einklang steht. Rein tatsächliche Gegebenheiten können über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht ersetzt werden. Hat sich der Arbeitslose verspätet arbeitslos gemeldet, so kann eine zuvor unterlassene Antragstellung wegen dessen materiell-rechtlichen Charakters durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht ersetzt werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 2010 geändert und die Klage abgewiesen, soweit der Kläger anrechnungsfreies Arbeitslosengeld begehrt.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Nebeneinkommen auf Arbeitslosengeld (Alg) nach Maßgabe von § 141 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) anzurechnen ist.
Der 1948 geborene Kläger war vom 15. Januar 2007 bis 31. Mai 2009 als Steuerfachangestellter bei einer Steuerberaterin versicherungspflichtig beschäftigt. Zusätzlich übte er ab dem 1. September 2006 eine selbstständige Tätigkeit mit einem Verdienst in Höhe von monatlich ca. 676,00 € aus. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2009 erzielte der Kläger nach Abzug der voraus zu zahlenden Steuern und der Betriebsausgaben Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt 8119,86 €, also monatlich 676,66 €.
Am 4. März 2010 meldete sich der Kläger arbeitslos. Im Rahmen der Antragstellung übersandte der Kläger Einkommensnachweise für das Jahr 2008 und das Jahr 2009. Ferner übersandte er ein Schreiben vom 25. August 2009, aus dem hervorgeht, dass er um eine Beratung zur weiteren Vorgehensweise bezüglich der Arbeitslosigkeit ersuchte. Seinen Antrag auf Alg lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2010 mit der Begründung ab, das anzurechnende Nebeneinkommen übersteige den monatlichen Leistungssatz von 473,10 €, der dem Kläger ohne diese Anrechnung zustehen würde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2010 zurück und führte im Wesentlichen aus, der Kläger habe Anspruch auf Alg ab dem 4. März 2010 auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes von 33,97 € (maßgebliches Arbeitsentgelt im einjährigen Bemessungsrahmen vom 1. Juni 2008 bis 31. Mai 2009 iHv 12.400,- € geteilt durch 365 Tage = 33,97 €) und eines allgemeinen Leistungssatzes iHv 15,77 € täglich. Der monatliche Leistungssatz betrage nach § 339 Satz 1 SGB III 473,10 €. Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III sei das erzielte Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, die der Arbeitslose in einer Zeit, für die ihm Alg zustehe, ausübe, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, der Steuern und der Werbekosten sowie eines Freibetrages iHv 165,00 € in dem Kalendermonat der Ausübung anzurechnen. Ziehe man von der monatlichen Betriebseinnahme von 676,66 € den monatlichen Freibetrag von 165,00 € ab, ergebe sich ein Anrechnungsbetrag iHv 511,66 €. Dieser übersteige den monatlichen Leistungssatz von 473,10 €. Eine Anrechnungsfreiheit des erzielten Nebeneinkommens nach § 141 Abs. 2 SGB III komme nicht in Betracht, da der Kläger in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg, d.h. in der Zeit vom 5. September 2008 bis zum 4. März 2010, neben der Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig nur weniger als neun Monate beschäftigt gewesen sei.
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 24. September 2010 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2010 verurteilt, dem Kläger ab 4. März 2010 Alg "ohne Anrechnung von Nebeneinkommen" zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt: § 141 Abs. 2 SGB III lasse zwei Auslegungen zu. Zum einen könne man von einem definitorisch an §§ 16, 118 SGB III anknüpfenden Verständnis des...