Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen nicht rechtzeitig weitergeleiteter Sozialversicherungsbeiträge
Orientierungssatz
1. Ein Schadensersatzanspruch des Rentenversicherungsträgers bzw. der Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Einzugsstelle nach § 28 r Abs. 1 SGB 4 setzt eine schadensverursachende schuldhafte Pflichtverletzung durch nicht rechtzeitige Weiterleitung von Sozialversicherungsbeiträgen voraus.
2. Eine auf der Grundlage von § 28 l Abs. 2 SGB 4 zwischen den Fremdversicherungsträgern und der Einzugsstelle geschlossene Vereinbarung über die Verteilung von Gewinnen aus der Verwaltung von Fremdbeiträgen hat Vergleichscharakter.
3. Eine Vereinbarung über die Zinsregelung ist solange nicht zu beanstanden, als diese die Schadensersatzregelung des § 28 r Abs. 2 SGB 4 nicht unterläuft.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht rechtzeitig weitergeleiteter Beiträge geltend.
Der beklagte AOK-Bundesverband praktizierte in der streitbefangenen Zeit vom 1. Juli 1989 bis 31. Mai 1998 das Verfahren des zentralen Beitragseinzugs nach § 28 f Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Danach konnten Arbeitgeber mit zentraler Lohn- und Gehaltsabrechnung und Arbeitsstätten in den Bezirken mehrerer Ortskrankenkassen beim beklagten Verband beantragen, den Beitragsnachweis für die bei Ortskrankenkassen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten bei diesem (Verband) einzureichen. Wurde dem Antrag entsprochen, erhielt der Verband auch den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, den er an die zuständigen Einzugsstellen arbeitstäglich weiterzuleiten hatte. Diese wiederum leiteten an den zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit (Fremdversicherungsträger) die für diese gezahlten Beiträge weiter.
Der Beklagte erhielt im Rahmen des zentralen Beitragseinzugs im streitigen Zeitraum Beiträge in Höhe von rund 31 Milliarden DM. Die auf die einzelnen Einzugsstellen entfallenden Beträge leitete er durch Orderscheck per Briefpost an diese weiter. Durch die Anlage der bis zur Einlösung der Schecks auf den Konten verbleibenden Gelder erzielte er jährlich erhebliche Zinsgewinne.
Über die Berechtigung des Beklagten zur Weiterleitung der Beiträge durch Orderscheck traten zwischen dem Beklagten und den Fremdversicherungsträgern bald Meinungsverschiedenheiten auf. Die Fremdversicherungsträger, unterstützt durch den Bundsrechnungshof (BRH) und den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, vertraten die Auffassung, nach der maßgeblichen Beitragszahlungsverordnung (BZVO) habe die Weiterleitung der Beiträge durch Überweisung zu erfolgen. Der Beklagte sah dies im Hinblick darauf, dass er nicht Einzugsstelle sei und Beiträge nicht an die Fremdversicherungsträger weiterzuleiten habe, anders. Die BZVO stehe der Anwendung des Orderscheckverfahrens durch ihn als Bundesverband nicht entgegen. Gleichwohl erklärte sich der Beklagte zu einem Vorteilsausgleich bereit, wenn sich bestätige, dass das Orderscheckverfahren zu Weiterleitungsverzögerungen führe.
Entsprechende Ermittlungen im Rahmen der Prüfung der zentralen Abrechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge beim Beklagten durch die Fremdversicherungsträger ergaben, dass das Orderscheckverfahren im Durchschnitt zu geringfügigen Verzögerungen der Weiterleitung führe. Die Fremdversicherungsträger - unter ihnen die Klägerin - einigten sich diesbezüglich so wie auch wegen anderer Weiterleitungsverzögerungen mit dem Beklagten auf einen Vorteilsausgleich für die Zeit ab 1. September 1992 bis zum Auslaufen des Orderscheckverfahrens voraussichtlich Ende 1995. Der Beklagte hatte seine Absicht bekundet, den zentralen Beitragseinzug bis dahin einzustellen. Der Vorteilsausgleich sollte unter Berücksichtigung des Anlagezinssatzes für die Zeitverzögerungen erfolgen, die sich aus den durchschnittlichen Laufzeiten im Orderscheckverfahren im Verhältnis zu denen im Überweisungsverfahren ergaben. Einvernehmlich wurde eine durchschnittliche Laufzeit des Orderscheckverfahrens von 4,75 Tagen und des Überweisungsverfahrens von 4,42 Tagen zugrunde gelegt, mithin eine Laufzeitverzögerung von 0,33 Tagen. Für die Zeit bis zur Umstellung des Orderscheckverfahrens sollten die Fremdversicherungsträger den entsprechend ermittelten Vorteilsausgleich für den Vormonat erhalten. Zwischen den Beteiligten war zum damaligen Zeitpunkt noch streitig, inwieweit grundsätzlich Zinsen aus Terminanlagen an die Fremdversicherungsträger auszukehren seien und ob der Beklagte insoweit zur Rechnungslegung verpflichtet sei. (Jedenfalls auch) wegen dieser Frage hatten die Fremdversicherungsträger Klage gegen den Beklagten erhoben, die Klägerin u. a. zum Az.: S 73 KR 926/94 (Sozialgericht Berlin).
Im weiteren Verlauf kam es nicht - wie vorgesehen - zur Umstellung des zentralen Beitragseinzugs auf das vom Beklagten angestrebte “H...