Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Betriebsprüfung. Entsendung von Arbeitnehmern. Polen. deutsch-polnisches Entsendeabkommen. Bescheinigung E101
Orientierungssatz
1. Der deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind grundsätzlich nicht berechtigt, Entscheidungen des ausländischen Trägers über die nach dessen Recht maßgebenden Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu überprüfen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.1999 - B 14 KG 1/99 R).
2. Die Bescheinigung über die Weitergeltung der ausländischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit (=E101) bindet die zuständigen Träger und die Gerichte der Staaten, in welche die Arbeitnehmer entsandt werden, solange, solange die Bescheinigungen nicht von den Behörden des Ausstellungsstaates zurückgezogen oder für ungültig erklärt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 26.01.2006 - Rs C-2/05 -).
3. Die spezielleren Vorschriften des deutsch-polnischen Entsendeabkommens (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden vom 31. Januar 1990 = EA) verdrängen gemäß § 6 SGB IV die Vorschriften der §§ 28f und 28p SGB IV.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar2007 wird aufgehoben. Unter Abänderung des Bescheides der Beklagtenvom 2. November 2006 wird der Bescheid vom 19. Dezember 1996 in derFassung des Widerspruchbescheides vom 16. April 1998 insgesamtaufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin desgesamten Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht noch die Rechtmäßigkeit eines Prüf- und Nachforderungsbescheides der Beklagten mit welchem, 47.492,45 € Sozialversicherungsbeiträge für namentlich nicht benannte Arbeitnehmer im Dezember 1991 festgesetzt und gefordert werden.
Die Klägerin (übersetzt: „S GmbH“) ist ein S.betrieb. Sie hatte in B eine Niederlassung. Nach den Recherchen der Beklagten vor Ort wickelte sie in ganz Deutschland Aufträge mit insgesamt 500 aus Polen entsandten polnischen Arbeitnehmern und einer Bürokraft in B ab. Die polnischen Arbeitnehmer hatten jeweils eine Arbeitserlaubnis und besaßen vom zuständigen polnischen Sozialversicherungsträger ZUS (= Zakład Ubezpieczeń Społecznych = Sozialversicherungsanstalt) in K ausgestellten Bescheinigungen D/Pl 101. Die Beklagte ging und geht davon aus, dass ungeachtet der Bescheinigungen die Arbeitnehmer Beschäftigte der Niederlassung in Deutschland gewesen seien, weil die Lohnunterlagen sich in Deutschland befunden hätten und bei einem deutschen Steuerbüro abgerechnet worden und auch die Lohnsteuer in Deutschland gezahlt worden sei.
Sie führte vom 11. November bis 14. November 1996 bei der Niederlassung der Klägerin in Bamberg eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV. Buch (SGB IV) hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Dezember 1991 bis 31. Dezember 1995 durch.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 1996 forderte sie 5.099.178,88 DM nach. Bei den Arbeitnehmern habe es sich nicht um entsandte Arbeitnehmer im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des deutsch-polnisches Entsendeabkommens (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden vom 31. Januar 1990 = EA) gehandelt. Sie seien nicht vorübergehend entsandt und vom (Heimat-) Arbeitgeber entlohnt worden im Sinne des Art. 1 Abs. 3 EA, weil die Lohnabrechnung in Deutschland beim Steuerbüro S erfolgt sei. Die Bescheinigungen D/PL101 der ZUS seien unzutreffend.
Hinsichtlich der Löhne für Dezember 1991 handele es sich um einen Summenbeitragsbescheid. Die Aufzeichnungspflicht sei nicht ordnungsgemäß erfüllt worden. Die Beiträge seien deshalb nach § 28 f Abs. 2 SGB IV anhand der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte ermittelt worden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (VV Blatt 282 und 283). Bei der Zweigniederlassung Bamberg der Klägerin handele es sich nicht um ein selbständiges Tochterunternehmen. Ein Unternehmen in Deutschland gebe es also nicht. Die Arbeitnehmer seien ausnahmslos aufgrund des EA und im Rahmen der entsprechenden Kontingente beziehungsweise Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse entsandt worden.
Die Beklagte setzte den Sofortvollzug des Bescheides aus.
Die ZUS teilte der Beklagten auf deren Anfrage mit, die Bescheinigungen D/PL101 seien korrekt ausgestellt worden, da nach der ihr erteilten Information die Klägerin für die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsverträge für die Dauer der Beschäftigung abgeschlossen habe. In dieser Zeit seien sie vom Unternehmen entlohnt und die Beträge zur Sozialversicherung seien an die ZUS in K abgeführt worden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. April 1998 zurück. Es handele sich um inländische Beschäftigungsverhältnisse. Arbeitgeber sei die deutsche Zweigniederlassung gewesen, die Klä...