Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsförderungsrecht: Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld während der Absolvierung einer beruflichen Bildungsmaßnahme. Abgrenzung einer Weiterbildungsmaßnahme von einer Berufsausbildung

 

Orientierungssatz

Nimmt ein Arbeitsloser eine berufliche Bildungsmaßnahme auf, die ihm einen Zugang zu einem anderen Fachberuf als dem erlernten Beruf vermitteln soll (hier: Ausbildung zum Erzieher für einen gelernten Koch), so handelt es sich nicht um eine Weiterbildungsmaßnahme, sondern um eine berufliche Ausbildung. Wird diese in Vollzeit absolviert, fehlt während der Dauer der Ausbildung die Verfügbarkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt und damit eine Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld. Die Weitergewährung von Arbeitslosengeld kommt insoweit nicht in Betracht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist nur noch der Anspruch des Klägers auf Förderung seiner Weiterbildung zum Erzieher durch die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1987 geborene, ledige Kläger erlernte den Beruf des Kochs und arbeitete bis zum 31. Juli 2013 in diesem Beruf. Er leidet unter einem chronischen Knorpelschaden (Chondromalazie) des rechten Kniegelenkes in Folge eines Sportunfalls. Der Kläger meldete sich bei der Beklagten zum 3. Januar 2014 arbeitslos; die Beklagte bewilligte Alg für die Zeit vom 3. Januar 2015 bis 1. Januar 2015 (Bescheid vom 17. Februar 2014). Die Beklagte ließ den Kläger durch ihren ärztlichen Dienst untersuchen. In dem Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin V vom 13. Februar 2014 heißt es ua, der Kläger leide unter belastungsabhängigen Beschwerden des rechten Kniegelenkes. Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung, zu vermeiden seien anhaltende Zwangshaltungen, einseitige körperliche Belastungen, häufige knieende und hockende Tätigkeiten sowie überwiegend stehende Tätigkeiten. Die Ausübung der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Koch sei nicht zu empfehlen, aus ärztlicher Sicht sei die Einleitung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben ratsam.

Mit Schreiben vom 31. März 2014 beantragte der Kläger unter Hinweis auf mehrere vorangegangene mündliche Anträge die Bewilligung einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine am 25. August 2014 beginnende Ausbildung zum Erzieher im P-F-Haus B - Fachschule für Sozialpädagogik - (einer Stiftung öffentlichen Rechts). Hierbei handelt es sich um eine dreijährige schulische Ausbildung mit großen zeitlichen Anteilen an Praktika; auf die Informationen der Schule zur Erzieherfachausbildung wird Bezug genommen. Das P-F-Haus ist nicht zertifiziert im Sinne der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV). Die Kosten der Ausbildung betragen monatlich 30,- €. Seinem Antrag fügte der Kläger ein Attest seines behandelnden Hausarztes Dr. D vom 17. Dezember 2013 bei, worin dieser bestätigte, dass der Kläger trotz seiner körperlichen Einschränkungen für die Tätigkeit eines Erziehers geeignet sei, nicht jedoch für die Ausübung seines erlernten Berufs als Koch.

Mit Antragsvordruck der Beklagten beantragte der Kläger sodann am 13. Mai 2014 die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Dabei gab er an, seine Tätigkeit als Koch sei mit dauerhaftem Stehen, Akkordarbeit, Zeitdruck und psychischen Belastungen sowie ständiger Exposition in wechselnden Temperaturen verbunden. Er könne aus gesundheitlichen Gründen diesen Beruf nicht mehr ausüben.

Durch Bescheid vom 27. Mai 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben fest. Mit weiterem Bescheid vom 27. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Bewilligung der vom Kläger begehrten Förderung der Erzieherausbildung mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Umschulung zum Erzieher.

Im Klageverfahren hat der Kläger, der an der Erzieherausbildung seit dem 25. August 2014 teilnimmt, seit 1. Januar 2015 hierfür laufende Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhält und diese Ausbildung und den Erzieherberuf für leidensgerecht hält, klageerweiternd auch die Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2014 geltend gemacht, mit dem die Beklagte die Alg-Bewilligung mWv Beginn der Erzieherausbildung (25. April 2014) an aufgehoben hatte, und begehrt ferner deren Verurteilung zur Förderung der Erzieherausbildung “mit der Gewährung von Arbeitslosengeld„.

Durch Urteil vom 29. Mai 2015 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Beklagte verurteilt, dem Kläger “für die selbst beschaffte Ausbildung des Klägers zum Erz...

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