Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Anforderungen an die Einordnung in eine Qualifikationsgruppe bei der fiktiven Bemessung eines Arbeitslosengeldanspruchs. Vorrang der Vermittlungsfähigkeit vor dem Bildungsabschluss
Orientierungssatz
Für die Einordnung eines Arbeitslosen in eine Qualifikationsgruppe gemäß § 132 Abs. 2 S. 2 SGB 3 zur Ermittlung eines fiktiven Arbeitslosengeldanspruchs kommt es allein auf diejenige Tätigkeit an, mit der ein Arbeitsloser bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann. Nicht entscheidend ist dagegen der höchste vom Betroffenen erworbene Bildungsabschluss, jedenfalls wenn der Betroffene in einem entsprechenden Beruf ersichtlich nie berufstätig war und der Abschluss der Ausbildung schon einen längeren Zeitraum (hier: 38 Jahre) zurück liegt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2010 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2009 bis 20. Oktober 2009 und vom 24. Oktober 2009 bis 30. Juni 2010 gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg).
Die 1950 geborene Klägerin hatte in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach einem Studium an der Ingenieurhochschule D die Berechtigung erworben, die Berufsbezeichnung “Hochschulingenieur für Informationsverarbeitung„ zu führen (Urkunde vom 1973); durch Urkunde des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 1994 wurde ihr die Berechtigung zuerkannt, den Grad “Diplom-Ingenieur (Fachhochschule)„ zu führen. In der DDR war sie nach ihrem Studium in verschiedenen Betrieben als Abteilungsleiterin für Preisbildung bzw Ingenieurin für Preise beschäftigt. Nach einer Umschulungsmaßnahme im kaufmännischen Bereich in der Zeit von Juli 1990 bis September 1991 war die Klägerin von Oktober 1991 bis Juli 1992 als Sachbearbeiterin bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherdienstes der DDR tätig, sodann als Finanz- und Versicherungsberaterin und nach einem Existenzgründungskurs von Januar 1994 bis Januar 2002 als selbständige Bauspar- und Finanzberaterin, wobei sie zur “Bauspar- und Finanzierungsfachfrau IBWBI„ ausgebildet wurde (Bescheinigung des Berufsbildungswerks der Bausparkassen e.V. vom 1997). Von Februar 2002 bis März 2004 war die Klägerin geschäftsführende Gesellschafterin der KGmbH Sch, die neben ihrem Ehemann B K noch zwei weitere Mitarbeiter hatte. Nach der Übernahme der GmbH durch den Sohn der Klägerin arbeitete diese in der Zeit vom 1. April 2004 bis 30. März 2006 dort als “Assistentin der Geschäftsführung und Vertriebsingenieurin„ (Zeugnis der K GmbH vom 30. März 2006). Nebenberuflich war sie weiterhin als Versicherungsberaterin tätig. Anschließend war die Klägerin bis März 2009 selbständige Bauspar- und Finanzberaterin, wobei sie ab 1. April 2006 bis 31. März 2009 bei der Beklagten durchgehend in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) stand. Im Februar 2007 bestand sie die Prüfung als Ernährungsberaterin. Unter dem 17. Dezember 2008 erhielt die Klägerin die Erlaubnis, als Versicherungsmakler gemäß § 34d Gewerbeordnung (GewO) tätig zu werden.
Zum 1. April 2009 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte wies die Klägerin einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu (Selbstvermarktung von Akademikern) und bewilligte ihr mit Bescheid vom 31. März 2009 Alg für 540 Kalendertage iH eines täglichen Leistungsbetrages von 20,05 € nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 67,20 € (Lohnsteuerklasse V). Der Widerspruch der vom 9. September 2009 bis 23. Oktober 2009 arbeitsunfähig erkrankten Klägerin (Krankengeldbezug vom 21. Oktober 2009 bis 23. Oktober 2009), mit dem diese die Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. April 2009).
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klägerin vorgetragen, das Leistungsentgelt sei zu niedrig bemessen, da sie aufgrund ihrer Qualifikation in die Qualifikationsgruppe 1 nach § 132 Abs. 2 SGB III einzuordnen sei. Voraussetzung für die Tätigkeit als Versicherungsmaklerin sei ein betriebswirtschaftliches Hochschulstudium. Auch ihre Tätigkeit als Vertriebsingenieurin bei der K GmbH habe ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgesetzt. Zudem habe sie in der DDR als Ingenieurin für Elektrotechnik gearbeitet.
Wegen des Wechsels in die Lohnsteuerklasse III zum 1. Juni 2009 bewilligte die Beklagte nunmehr für die Zeit nach dem Ende des Krankengeldbezugs ab 24. Oktober 2009 Alg iH eines täglichen Leistungsbetrages von 31,16 € (Bescheid vom 5. November 2009). Das Alg wurde in der genannten Höhe ab 1. Juni 2009 gezahlt. Seit 1. Juli 2010 bezieht die Klägerin wegen der Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit al...