Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Arbeitsleben. Besuch einer Werkstatt für behinderte Menschen. ergänzende Leistungen. Reisekosten. Kosten der Beförderung von und zur Werkstatt. Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts
Orientierungssatz
1. Zwar gelten nach § 53 Abs 4 S 1 SGB 12 für die Leistungen zur Teilhabe die Vorschriften des SGB 9, soweit sich aufgrund des SGB 12 und der hiernach erlassenen Rechtsverordnungen nichts anderes ergibt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diejenigen Regelungen des SGB 9, die die einzelnen Leistungsgruppen im Neunten Buch konkretisieren und zu Leistungsansprüchen ausformen, nicht über § 53 Abs 4 S 1 SGB 12 generell, sondern lediglich kraft ausdrücklicher Anordnung im Einzelfall gelten sollen.
2. Aus der Akzessorietät der Fahrtkosten zur Hauptleistung des Werkstattbesuchs folgt nicht, dass für jene das Wahlrecht des Hilfesuchenden nicht zu berücksichtigen wäre. Wenn der Hilfesuchende ohne den Transport in die Werkstatt selbige nicht besuchen könnte, die vermeintlich akzessorische Leistung die Hauptleistung also erst ermöglicht, ist jene wie eine typische Eingliederungshilfeleistung unter Berücksichtigung des § 9 Abs 2 SGB 12 zu gewähren.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Oktober 2015 abgeändert.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 18. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2012 verurteilt, der Klägerin weitere Kosten des Transports in den Förderbereich der Werkstatt für behinderte Menschen für den Zeitraum vom 1. November 2013 bis 30. November 2014 in Höhe von 3,90 Euro werktäglich zu erstatten.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt - nach vergleichsweiser Regelung eines weiteren Zeitraums im Termin zur mündlichen Verhandlung - noch die Übernahme weiterer Kosten für einen Fahrdienst in der Zeit von 1. November 2013 bis 30. November 2014. Die Klägerin ist schwerstbehindert aufgrund körperlicher und geistiger Erkrankungen. Sie gehört zum Personenkreis gem. § 53 Abs. 1 S. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Als Rollstuhlfahrerin besucht sie den Förderbereich der Werkstatt für Behinderte. Von der Wohneinrichtung (Heim E) wird sie zur Werkstatt und zurück mit einem Hydraulikfahrzeug befördert.
Bis Oktober 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin im Rahmen der Eingliederungshilfe die Übernahme der Beförderungskosten in Höhe eines Kostensatzes von 37,66 Euro werktäglich als Tagespauschale für Hin- und Rückfahrt.
Unter dem 20. Dezember 2011 übersandte die ehemalige Betreuerin der Klägerin zum Antrag auf Übernahme der Transportkosten für den Besuch der Werkstatt für Behinderte Kostenvoranschläge, wobei die Firmen D J, T und B mitgeteilt hatten, dass sie den Transport nicht ausführen könnten, da ihre Fahrzeuge nicht über eine aufgrund des Körpergewichts der Klägerin notwendigen Hebevorrichtung verfügten. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag des C-Fahrdienst GmbH vom 6. Dezember 2011 mit einem Tagessatz von 46,97 Euro.
Daraufhin bewilligte der Beklagte unter Abänderung eines zuvor erlassenen Bescheides der Klägerin Beförderungskosten zur Werkstatt mit einem Kostensatz von 46,97 Euro täglich ab dem 5. Dezember 2011.
Unter dem 11. September 2012 beantragte die ehemalige Betreuerin der Klägerin u. a. den Transport zur Werkstatt und zurück zur Einrichtung über den 31. Oktober 2012 hinaus. Beigefügt waren ein Kostenangebot der Firma K vom 4. Juli 2012 mit einem Gesamtpreis von 84,00 Euro täglich und ein Angebot der p vom 15. Juni 2012 mit einem Tagessatz von 45,00 Euro.
Daraufhin bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 18. September 2012 die Beförderungskosten in Höhe von 45,00 Euro werktäglich als Tagespauschale.
Unter dem 20. September 2012 wandte sich der gesetzliche Betreuer der Klägerin an den Beklagten und beantragte die Weiterbewilligung der Beförderungskosten ab dem 1. November 2012: “Wir möchten für unsere Tochter auch weiterhin den langjährigen Fahrdienst C, da sich hier über die Jahre ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut hat und unsere Tochter den Fahrer inzwischen sehr gut kennt und ihm vertraut. Außerdem bestehen wir aufgrund des Gewichts unserer Tochter und dem sich daraus ergebenen Sicherheitsgründen auf eine Beförderung in Fahrzeugen mit Hub-, Hebe-, bzw. Absenkvorrichtung, sodass Madelaine nicht auf so einer steilen, schrägen Rampe in das Fahrzeug gewuchtet werden und hierbei Angst haben muss, umzukippen oder abzustürzen.„
Beigefügt war dem Antrag ein Kostenvoranschlag der C GmbH vom 17. September 2012, nunmehr mit einem Tagessatz von 48,90 Euro.
Mit Schreiben vom 24. September 2012 wies der Beklagte darauf hin, dass über die Leistung bereits entschieden worden sei und fügte erneut den Bewilligungsbescheid vom 18. September 2012 bei.
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