Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Amtsenthebungsbeschlusses des Verwaltungsrats eines Selbstverwaltungsorgans bei Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot
Orientierungssatz
Nach § 63 Abs. 2 S. 2 HS. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 S. 2 SGB 4 sind die Sitzungen des Verwaltungsrats eines Selbstverwaltungsorgans zwingend öffentlich. Zu den wesentlichen Organisationsakten des Verwaltungsrats zählt nicht nur die Wahl des Geschäftsführers sondern als actus contrarius auch dessen Amtsenthebung. Ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot macht einen ergangenen Amtsenthebungsentschluss formal rechtswidrig. Die Wahl des hauptamtlichen Vorstands einer Krankenkasse sowie dessen Abberufung ist öffentlich, weil diese keine personellen Angelegenheiten, sondern Akte des Verfassungssystems des Versicherungsträgers sind. Ein gleichwohl in nichtöffentlicher Sitzung ergangener Amtsenthebungsbeschluss ist nichtig.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung des Klägers als Vorstand der Beklagten.
Der 1969 geborene Kläger wurde mit Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom 12. April 2006 zum 1. September 2006 zum Vorstand der Beklagten bestellt und durch Vorstandsvertrag vom 27. April 2006 angestellt.
Verwaltungsratsvorsitzender der Beklagten war zum damaligen Zeitpunkt der T.M ... Aus der von diesem gegründeten S. GmbH (S. GmbH) war 1996 die Beklagte hervorgegangen. Die Beklagte hatte in der Folgezeit ein Tochterunternehmen, die L.-GmbH (L ... GmbH), gegründet, deren Stammkapital in Höhe von 50.000 EUR zur Hälfte von der S. GmbH gehalten wurde und deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bis 2004 der T.M. war. Im Dezember 2002 mietete die Beklagte von der L ... GmbH ein noch zu erstellendes Gebäude, zu dessen Erbauung die L ... GmbH danach ein unbebautes Grundstück von der H. erwarb. Die S. GmbH veräußerte im November 2004 ihren Geschäftsanteil an der L ... GmbH für 4.225.000 EUR an ein firmenfremdes Versicherungsunternehmen. Dieser Vorgang war später u.a. Gegenstand eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens vor dem Landessozialgericht Hamburg, in welchem die hiesige Beklagte sich gegen eine Verfügung des Bundesversicherungsamtes gewendet hatte, mit welcher sie verpflichtet worden war, den T.M. kurzfristig seines Amtes zu entheben (Urteil vom 29. November 2011, - L 1 KR 132/11 KL - juris). Das Verfahren endete vor dem LSG mit einer Aufhebung der Verfügung. Vor dem BSG schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in welchem u.a. der T.M. erklärte, er lege sein Amt zum 30. September 2015 nieder und scheide aus dem Verwaltungsrat aus.
Die Gesamtfläche des Gebäudes am L1 betrug 13.000 qm, welche nach Einzug der Beklagten im Jahr 2007 nur zu einem kleinen Teil genutzt wurde. Ein Teil der geplanten Büroflächen befand sich im Rohzustand und stand leer. Eine Miete entrichtete die Beklagte dafür gleichwohl.
Im Rahmen des Verwaltungsneubaus wurde in der Folge der Plan gefasst, als Teilfläche ein Gesundheitszentrum zu betreiben. Zu diesem Zweck wurde ein weiteres Unternehmen, die L2 GmbH, gegründet. Zum Geschäftsführer wurde Herr G. im Mai 2007 durch das Vorstandsmitglied P. der Beklagten bestellt. Zwischen der Beklagten und der L2 GmbH wurde für die Zeit ab 1. August 2007 ein Mietvertrag geschlossen, mit dem sich die L2 GmbH verpflichtete, für die Fläche des Gesundheitszentrums von ca. 4000 qm einen Mietzins von 17,37 EUR zu zahlen. Mangels Einnahmen der L2 GmbH stundete die Beklagte dieser die Miete. Im Dezember 2007 wurde ein 1. Nachtrag zum Mietvertrag geschlossen, wonach die L ... GmbH bestimmte Rohbauflächen nicht ausbauen sollte und die Beklagte der L. GmbH zum Ausgleich 520.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer zu zahlen habe. In einem weiteren Nachtrag des Mietvertrages zwischen der LTD GmbH und der Beklagten vom 3. August 2009 wurde die Vertragslaufzeit verlängert und eine Zusatzmiete vereinbart. Im Gegenzug verpflichtete sich die L2 GmbH zum Ausbau des Gesundheitszentrums. Der Kläger beauftragte vor diesem Hintergrund eine Anwaltskanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens zur Überprüfung des oben dargestellten Veräußerungsvorgangs von Geschäftsanteilen. In einer ersten Einschätzung vom 3. März 2010 kam die beauftragte Kanzlei zu der Einschätzung, es sei in diesem Zusammenhang zu erheblichen zivilrechtlichen, vergaberechtlichen und verwaltungsrechtlichen Pflichtverstößen seitens der Organe der Beklagten gekommen. Man müsse davon ausgehen, dass das Handeln verschiedener ehemaliger Vorstandsmitglieder und des Verwaltungsratsvorsitzenden T.M. strafrechtliche Relevanz besitze.
Am 4. März 2010 fand die 31. Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten statt. Darin informierte der Kläger die Teilnehmer über den Zwischenbericht der Anwaltskanzlei. Laut Protokoll befassten sich die Teilnehmer des Weiteren mit der Mietvertragserweiterung und der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und der Finanza...