Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. medizinische Rehabilitation. stufenweise Wiedereingliederung. Übersendung eines Wiedereingliederungsplans. Antrag auf sämtliche in Betracht kommenden Leistungen. Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. kein Anspruch auf Krankengeld oder Übergangsgeld. Anspruch auf Fahrkostenerstattung als ergänzende Leistung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übersendung eines Wiedereingliederungsplans im Sinne des sog Hamburger Modells an einen Rehabilitationsträger ist im Zweifel als Antrag auf sämtliche im Zusammenhang mit dieser Wiedereingliederungsmaßnahme in Betracht kommenden Leistungen auszulegen.
2. Die stufenweise Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX aF gehört zu den medizinischen Rehabilitationsleistungen, für die nach §§ 6, 5 SGB IX die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sein kann.
3. Als ergänzende Leistung zur stufenweisen Wiedereingliederung kommt ein Anspruch auf Fahrkostenerstattung auch dann in Betracht, wenn während der Maßnahme weder ein Anspruch auf Krankengeld noch auf Übergangsgeld besteht.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schwerin und der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2014 werden abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die stufenweise Wiedereingliederung im Zeitraum vom 01. Juli bis 30.September 2012 Reisekosten zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat 50 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um ergänzende Leistungen im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist 1953 geboren und verfügt über einen GdB von 50. Er erkrankte am 17. April 2009 arbeitsunfähig. Zu diesem Zeitpunkt war er als Kommissionierer bei der E-Firma mbH beschäftigt. Bis zum 06. Oktober 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger Krankengeld. Nach Aussteuerung erhielt er in dem Zeitraum vom 07. Oktober 2010 bis 10. August 2011 Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 11. August 2011 bis 02. September 2011 nahm der Kläger an einer von der Beigeladenen zu 1. gewährten stationären Rehabilitationsmaßnahme teil, während derer er Übergangsgeld erhielt. Im Reha-Entlassungsbericht vom 06. September 2011 wurde angegeben, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kommissionierer lediglich für unter drei Stunden ausüben könne. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, überwiegend stehend, gehend oder sitzend könnten im Umfang von sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Weiter wurde eingeschätzt, dass Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben nicht erforderlich seien. Die Entlassung aus der Rehabilitationsklinik erfolgte als arbeitsunfähig.
Gegenüber der Beigeladenen zu 1. gab die Rehabilitationsklinik an, dass eine stufenweise Wiedereingliederung nicht erforderlich sei, weil sich der Kläger den Anforderungen als Kommissionierer nicht gewachsen fühle.
Nach Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruches bezog der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in der Zeit vom 01. Mai 2012 bis 30. September 2012. Vom 28. April 2012 bis 14. Januar 2013 war er bei der Beklagten im Rahmen der Familienversicherung seiner Ehefrau krankenversichert. Bereits im April 2010 hatte der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, die von der Beigeladenen zu 1. zunächst abgelehnt und nach einem entsprechenden Urteil des SG Schwerins vom 20. Oktober 2014 (S 7 R 715/11) ab dem 01. April 2010 gewährt wurde.
Vom 01. Juli 2012 bis 30. September 2012 erfolgte bei dem Arbeitgeber des Klägers eine stufenweise Wiedereingliederung mit reduzierter, sich steigernder Arbeitszeit. Anteiliges Arbeitsentgelt wurde nicht gezahlt. Entsprechende Wiedereingliederungspläne, die von dem behandelnden Arzt Dr. W. und dem Arbeitgeber des Klägers unterzeichnet waren, legte der Kläger der Beklagten in Kopie vor, den ersten Ende Mai 2012.
Am 14. Juni 2012 wurde der Kläger telefonisch von der Beklagten informiert, dass ein Anspruch auf Krankengeld für die Eingliederungsmaßnahme nicht bestehe und er sich an das Jobcenter wenden möge.
Die Originale der Wiedereingliederungspläne ab 01. Juli 2012 gingen beim Beigeladenen zu 2. ein, wobei der erste Wiedereingliederungsplan dort ausweislich des Eingangsstempels am 06. Juli 2012 vorlag.
Nach Abschluss der Wiedereingliederung fühlte der Kläger sich nicht in der Lage, seine bisherige Tätigkeit vollschichtig auszuüben und beantragte bei seinem Arbeitgeber die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden. Eine entsprechende Verständigung, die dem Kläger zusätzlich die Möglichkeit betriebsunüblicher Pausen einräumte, erzielte der Kläger mit seinem Arbeitgeber erst im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Ab dem 10. Januar 2013 nahm der Kläger seine Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber mit reduzierter Stundenanzahl und unter erleichterten Arbei...