Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Lese- und Bildschirmarbeit eines Steuerberaters. erhebliche Kurzsichtigkeit auf dem rechten Auge mit wiederholter Netzhautablösung und Entwicklung eines sekundären Glaukoms. keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Verursachung von Augenerkrankungen
Orientierungssatz
1. Das bestehende Augenleiden (erhebliche Kurzsichtigkeit auf dem rechten Auge mit wiederholter Netzhautablösung und Entwicklung eines sekundären Glaukoms) wird von der in der Anlage 1 zu BKVO enthaltenen BK-Liste unstreitig nicht erfaßt und die Frage eines Ursachenzusammenhangs zwischen intensiver Lese- und Bildschirmarbeit und dieser Erkrankung stellt (medizinisches) "Neuland" dar. Einschlägige Rechtsgrundlage ist deswegen § 551 Abs 2 RVO.
2. § 551 Abs 2 RVO, die ihrem Charakter nach eine Ausnahmevorschrift ist, zielt nicht auf die Lückenlosigkeit des Schutzes für alle Versicherten, die an einer (möglicherweise) durch die Berufstätigkeit verursachten Krankheit leiden. Sinn und Zweck der Norm ist es vielmehr, solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anl 1 zur BKVO noch nicht vorhanden oder dem Verordnungsgeber nicht bekannt waren oder trotz Prüfung noch nicht ausreichten (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 = SozR 2200 § 551 Nr 27). Entsprechende medizinische Erkenntnisse lagen bei dem unter Zif 1 genannten Augenleiden 1996 nicht vor.
3. Solche neue medizinische Erkenntnisse können auch nicht Regelungswerken wie der Bildschirm-Arbeits-Verordnung - BildscharbV - entnommen werden, diese dienen allein der Vorbeugung (Prävention). Neue Erkenntnisse können grundsätzlich auch nicht durch ein ärztliches Gutachten in einem Einzelfall gewonnen werden. Im Recht der BKen kommt es maßgeblich auf die "Gruppentypik" an. Feststellungen hierzu können nur durch Studien mit umfangreichen Reihenuntersuchungen und nachfolgender statistischer Auswertungen getroffen werden. Hiervon kann allenfalls dann abgewichen werden, wenn zB bei einem nur kleinen gefährdeten Berufskollektiv die Zahl der Erkrankungen insgesamt nur gering ist, so daß medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können (vgl BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 = HVBG INFO 1997, 552).
4. Für den Bereich der Bildschirm- und Lesearbeiten gilt jedoch, daß solche Tätigkeiten außerordentlich verbreitet sind. Demgemäß wäre bei Vorliegen einer Gefährdung der Augen das Auftreten einer statistisch relevanten Zahl von Erkrankungen zu erwarten.
5. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Kläger als schädlich angesehenen beruflichen Exposition und dem Augenschaden ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Insbesondere deswegen, weil im Falle einer beruflich bedingten Schädigung bei einem paarig vorhandenen und eingesetzten Sinnesorgan eine entsprechende Erkrankung auch auf dem linken Auge zu erwarten gewesen wäre.
Fundstellen