Schwerbehinderung nach Mobbing ist keine „Wie-Berufskrankheit“

Ein Arbeitnehmer, der Mobbing am Arbeitsplatz ausgesetzt war, erkrankte darüber so sehr, dass sich daraus ein Schwerbehindertenstatus ergab. Vergeblich kämpfte er darum, dass seine psychische Erkrankung auch vom Unfallversicherer als Berufskrankheit anerkannt wird. Das Gericht sah  insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass auf Kirchenangestellte vermehrte Ursachen für psychischen Erkrankungen einwirken.

Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Liste der Berufskrankheiten entscheidet über Eintrittspflicht der Unfallkassen

Ob die Unfallversicherung wegen eine Berufskrankheit leistungspflichtig ist, ergibt sich aus einer stetig aktualisierten Liste anerkannter Berufskrankheiten (§ 9 Abs. 1 SGB VII; Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) i.d.F. der 5. VO zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung v. 29.6.2021).

Im Ausnahmefall werden Krankheiten erfasst, die sich nicht auf der Liste befinden

Über die Liste hinaus müssen Unfallversicherungsträger eine Krankheit dann als Berufskrankheit anerkennen, wenn neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darauf hinweisen (§ 9 Abs. 2 SGB VII). Mit anderen Worten werden so Krankheiten erfasst, bei denen der Verordnungsgeber der Wissenschaft noch hinterherhinkt.

Keinerlei psychische Erkrankungen auf der aktuellen Liste der Berufskrankheiten

Sieht man sich die Liste der Berufskrankheiten an, so wird schnell deutlich, dass nur rein körperliche Beeinträchtigungen, z.B. durch chemische oder physikalische Einwirkungen als Berufskrankheit gewertet werden. Psychische Erkrankungen sind nicht gelistet.

Sozialgerichte sollten Mobbingfolgen „wie eine Berufskrankheit“ einstufen

Der nach jahrelangem Mobbing am Arbeitsplatz psychisch erkrankte Kläger hatte somit eine schwere Ausgangsposition als er um die Anerkennung als Berufskrankheit zunächst mit der Unfallkasse, dann vor den Sozialgerichten kämpfte. Wenn überhaupt, hätte ihm nur eine Krankheit „wie eine Berufskrankheit“ außerhalb der Liste zugestanden werden können.

Kirchlicher Mitarbeiter leidet unter PTBS und Burnout

Der zum Zeitpunkt der Entscheidung knapp 50-Jährige arbeitete bei der Kirche, u.a. als Pastoralreferent in einem Bistum, dann bei der altkatholischen Kirche, zuletzt in der staatlichen Flüchtlingshilfe. Er gab an Straftaten ausgesetzt gewesen zu sein, was zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und einem Burnout geführt habe. In der Folge wurde ihm ein  Grad der Behinderung (GdB) von 30 bescheinigt. Auch sein Gleichstellungsantrag hatte Erfolg, was aber auf das hiesige Verfahren keinerlei Einfluss hatte.

Nichts Neues in der Medizin zu höherem Risiko an kirchlichen Arbeitsplätzen

Das LSG Bayern hat genauso wie zuvor das Sozialgericht Augsburg entschieden, dass es für eine Anerkennung als „Wie-Berufskrankheit“ (Wie-BK) keine Grundlage gebe, sprich keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die darauf hinweisen, dass Pastoralreferenten oder überhaupt Kirchenangestellte einem höheren Grad an Einwirkungen ausgesetzt sind, die zu psychischen Erkrankungen führen können.

Krankheitsbild muss berufsgruppentypisch sein

Genau darum aber geht es, nämlich um die spezifischen Gefahren, die einer Berufsgruppe aufgrund ihres Berufsbildes anhaften und die sich besonders gehäuft in einem typischen Krankheitsbild niederschlagen. In diese Richtung versuchte der Kläger zu argumentieren, indem er darauf verwies, dass kirchliche Mitarbeiter systemimmanent eine schlechte Mitarbeitervertretung haben. Gefolgt sind ihm die Gerichte nicht. 

(LSG Bayern, Urteil v. 12.5.2021, L 3 U 11/20).

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Hintergrund: Anerkennung als „Wie-Berufskrankheit“ (Wie-BK)

Die Feststellung einer Wie-BK nach dieser Vorschrift ist u.a. vom Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig.

Diese allgemeinen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn eine entsprechende Anerkennungsempfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten“ vorliegt.

Leistungen bei Berufskrankheiten

Liegt eine Berufskrankheit vor, besteht das vorrangige Ziel darin, mit allen geeigneten Mitteln die Folgen der Berufskrankheit zu mildern und eine Verschlimmerung zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, erbringt die gesetzliche Unfallversicherung Leistungen, die von der medizinischen Versorgung bis hin zu beruflichen Maßnahmen reichen können. Verbleiben trotz qualifizierter Rehabilitation schwerwiegende körperliche Beeinträchtigungen, erhalten Versicherte eine Rente.  


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