Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. kein vollständiger Ausgleich von Einkommensverlusten wegen der COVID-19-Pandemie. mögliche Ausklammerung von Bemessungsmonaten. kein Vorteil für diejenigen Elterngeldberechtigten mit noch weniger Einkommen in den vorangegangenen Monaten. keine fiktive Einkommensberechnung. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn das Elternteil im Bemessungszeitraum aufgrund der COVID-19-Pandemie Einkommensverluste zu verzeichnen hatte, ist das in die Berechnung des Elterngeldes einzustellende vorgeburtliche Erwerbseinkommen ausgehend von einem zwölfmonatigen Bemessungszeitraum zu ermitteln.
Orientierungssatz
1. Einkommensverluste infolge der COVID-19-Pandemie werden für Bezieher von Elterngeld nicht vollständig ausgeglichen, weil nicht alle Elterngeldberechtigten von der COVID-19-Sonderregelung des § 2b Abs 1 S 4 BEEG in gleicher Weise profitieren.
2. Für diejenigen Elterngeldbezieher, bei denen das Einkommen in den Monaten vor dem Regelbemessungszeitraum nicht höher als in den Ausklammerungsmonaten war oder sogar (bedingt etwa durch einen seinerzeitigen Schulbesuch, Arbeitslosigkeit oder auch durch die Betreuung von älteren Kindern außerhalb der von § 2b Abs 1 S 2 Nr 1 BEEG erfassten Zeiträume) gänzlich gefehlt hat, kommt kein Ausgleich in Betracht.
3. Eine verfassungswidrige Überschreitung des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsermessens ist nicht ersichtlich.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihrer am 7. November 2020 geborenen jüngeren Tochter I..
Die ältere Tochter J. der Klägerin wurde am 8. April 2018 geboren. Bedingt durch ihre Betreuung hat die Klägerin im nachfolgenden Zeitraum bis August 2019 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, zumal erst ab September 2019 eine anderweitige Betreuung für das Kind durch eine Tagesmutter zur Verfügung stand.
In der Zeit vor der Geburt ihrer jüngeren Tochter erzielte die Klägerin folgende lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkünfte (vgl. jeweils die ausgewiesenen Monatswerte in der Rubrik „Steuerbrutto“ in den zu den Verwaltungsvorgängen genommenen Gehaltsabrechnungen) aus unselbständiger Tätigkeit:
September bis November 2019: jeweils 1.800 € (im November 2019 zuzüglich einer Jahressonderzahlung in Höhe von 600 €),
Dezember 2019 bis März 2020: jeweils 1763 €
Für die Monate April und Mai 2020 wurde aufgrund der Coronapandemie Kurzarbeit für die Klägerin angeordnet, auf dieser Basis hat sie im April 2020 lediglich ein Gehalt von 981,56 € und Kurzarbeitsgeld in Höhe von 385,92 € (vgl. die Neuberechnung für April vom 24. Juni 2020, Bl. 39 VV) und im Mai 2020 ein Gehalt von 500,51 € und Kurzarbeitsgeld in Höhe von 675,36 € (vgl. die Neuberechnung für Mai vom 24. Juni 2020, Bl. 42 VV) erhalten.
Von Juni bis August 2020 hat die Klägerin wiederum das gewohnte Monatsentgelt von 1.763 € bezogen (im Juni zuzüglich eines Urlaubsgeldes in Höhe von 350 €).
Ab dem 23. September 2020 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld (Bl. 23 VV).
Mit Bescheid vom 18. Februar 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2021 sprach die Beklagte - dem Grunde nach antragsgemäß - der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer jüngeren Tochter Elterngeld in Höhe von monatlich 792,86 € zu. Für die ersten sechs Lebensmonate des jüngeren Kindes erhöhten sich diese Zahlungen um 10 %, d.h. um 79,29 €, als sog. Geschwisterbonus, welcher nach § 2a BEEG bis zum Alter von drei Jahren des älteren Kindes zu gewähren ist. Angesichts der Anrechnung von Mutterschaftsbezügen ergab sich für den ersten Lebensmonat im Ergebnis kein Zahlbetrag und für den zweiten Lebensmonat des Kindes lediglich ein auszuzahlender Betrag von 112,54 €.
Den Betrag von 792,86 € hat die Beklagte wie folgt ermittelt: Von dem unter Heranziehung der vorstehend aufgeführten steuerpflichtigen Entgeltbeträge (unter Außerachtlassung der sonstigen Bezüge im lohnsteuerrechtlichen Sinne) ermittelten monatlichen Durchschnittseinkommen im zwölfmonatigen Bemessungszeitraum September 2019 bis August 2020 in Höhe von 1.600,42 € hat sie gemäß § 2c Abs. 1 BEEG ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, d.h. einen Betrag von monatlich 83,33 €, sowie pauschalierte Sozialabgaben gemäß § 2f BEEG in Höhe von 336,72 € absetzt. Ein Abzug für Steuern nach § 2e BEEG ergab sich nach den Berechnungen der Beklagten nicht, so dass im Ergebnis ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.183,37 € in die Berechnungen einzustellen war. Gewichtet mit dem Bemessungssatz von 67 % ergab sich damit im Ergebnis der zuerkannte Leistungsbetrag von monatlich 792,86 €.
Mit ihrer am 23. Juni 2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin das Ziel einer Berechnung des Elterngeldes unter Außerachtlassung der von der pandemiebedingten Kurzarbeit betroffenen Monate April und Mai 2021 bei der Ermit...