Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Pflegemutter. abhängige Beschäftigung. ehrenamtliche Tätigkeit. pauschalierte Aufwandsentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vom Träger der Jugendhilfe beauftragte Pflegemutter nimmt ihre Tätigkeit im sozialrechtlichen Sinne ehrenamtlich wahr, solange nicht besondere Umstände wie namentlich die Höhe die ihr dafür gewährten finanziellen Anerkennung für eine verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit sprechen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass ihre Tätigkeit als Pflegemutter bei dem Beigeladenen seit dem 01.10.2010 sozialversicherungspflichtig ist.

Am 19.08.2010 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen, dem Träger des örtlichen Amtes für Jugendhilfe, eine Vereinbarung über die vorübergehende Aufnahme von minderjährigen Jungen/Mädchen im Alter von Geburt bis 12 Jahren mit Wirkung ab dem 01.10.2010. Vorgesehen waren zwei Wochen Dienst und vier Wochen keine Verfügbarkeit, außer in Notfällen. Als Gegenleistung war ein heilpädagogisches Pflegekindergeld in Höhe von zunächst monatlich 305 € auch ohne Zuweisung von Pflegekindern für die Vorhaltung von Räumen vereinbart. Bei Aufnahme gab es zusätzlich das Pflegekindergeld, welches nach Alter differierte und sich über die Jahre erhöhte. Im Jahr 2010 gab es für Kinder im Alter bis fünf Jahre 473 €, zwischen 6 und 11 Jahren 547 € und ab 12 Jahren 628 € an materiellen Aufwendungen sowie Kosten der Erziehung in Höhe von 440 € pro Monat. Grundlage waren die Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege. Als „Notpflege“ erhielt die Klägerin den 2,5-fachen Satz des hierin vorgesehenen Pauschalbetrages für die Kosten der Erziehung. Die Klägerin erhielt laut Aufstellung (Bl. 95 GA) im Jahr 2010 den weit geringsten Betrag in Höhe von insgesamt 3.410,68 €, im Anschluss mehr als 10.000 € pro Jahr und im Jahr 2015 bislang maximal 22.664,83 €. In den Gesamtbeträgen waren neben der monatlich gezahlten Pauschale und dem Pflegegeld auch einmalige Beihilfen für Kleidung, Spielgerät, Windeln, Fahrtkosten, Einrichtungsgegenstände usw. enthalten. Mittlerweile (im Jahr 2022) erhält die Klägerin monatlich 355 € für die Vorhaltung von Räumlichkeiten und Tagessätze an Pflegegeld in Höhe von 40 € für bis fünfjährige Kinder, in Höhe von 44 € für Kinder von sechs bis elf Jahren und in Höhe von 47 € für Kinder ab zwölf Jahren.

Am 22.02.2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status im Verhältnis zum Beigeladenen. Die Beklagte hörte die Beteiligten an, ließ sich Unterlagen vorlegen und entschied mit Bescheid vom 27.07.2017, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliege.

Der Beigeladene erhob hiergegen mit Faxschreiben vom 15.08.2017 Widerspruch und berief sich diesbezüglich auf die Urteile des Sozialgerichts Dresden vom 15.11.2016 (S 33 R 773/13) und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.12.2016 (S 7 R 2581/14).

Die Beklagte nahm die Bescheide vom 27.07.2017 mit Bescheid vom 10.11.2017 zurück und gab gegenüber der Klägerin an, dass sie hiergegen Klage erheben könne, was diese dann zunächst am 06.12.2017 beim Sozialgericht Stade tat. Auf Hinweis des Sozialgerichts erhob die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2018, bei der Beklagten eingegangen am 31.01.2018, Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2018 zurückwies.

Die Klägerin hat hiergegen am 15.05.2018 beim Sozialgericht Stade Klage erhoben. Von den vom Bundessozialgericht entwickelten 28 Kriterien träfen 25 auf die Klägerin zu. Die Formulierungen im Vertrag entsprächen denen eines Arbeitsvertrages. Aus §§ 1-5 ergäben sich Weisungsrechte des Beigeladenen. Eine Eingliederung in die Betriebsorganisation ergäbe sich aus der Einteilung zu den vierzehntägigen Bereitschaftsdiensten. Ort, Dauer und Zeit der Tätigkeit seien klar strukturiert. Die Klägerin habe ein Diensttelefon und müsse nach einer schriftlichen Vereinbarung rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst erreichbar sein. Der Beigeladene habe 2018 die Formulierungen in den Verträgen geändert, um den Schluss auf eine abhängige Beschäftigung zu beseitigen. Insbesondere sei der Ausschließlichkeitsanspruch des Beigeladenen herausgenommen worden. Es bestehe eine finanzielle Abhängigkeit. Die Klägerin könne keiner zusätzlichen Tätigkeit nachgehen. Die Arbeitszeiten ergäben sich unter anderem aus den Bereitschaftsdienstplänen sowie den Belegungen durch den Allgemeinen Sozialdienst (ASD), Pflegekinderdienst (Pkd) und der Belegung durch Amtsvormünder. Die Dauer der Belegung werden von Mitarbeitern des ASD und Pkd entschieden. Ausgehend von einem Mindestlohn in Höhe von 9,60 € und einem sich hieraus ergebenden monatlichen Entgelt in Höhe von 1.230 € sowie einer jährlichen Vergütung von 14.760 € ergäbe sich eine Entsp...

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