Beitragshöhe zum Versorgungswerk: Ehrenamtliche Einkünfte sind Teil der Gesamteinnahmen
Die Beiträge zum Versorgungswerk sind insbesondere für angestellte Anwälte und für Anwälte, bei denen es finanziell nicht so gut läuft, häufig ein Grund für rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Anwalt und Versorgungswerk. Der regelmäßig von den Anwälten an die jeweils zuständigen Versorgungswerke zu zahlende Regelpflichtbeitrag orientiert sich am Höchstbetrag der gesetzlichen Rentenversicherung. Fällt das Einkommen des Anwalts unter die Beitragsbemessungsgrenze, so ist gem. den jeweiligen Satzungen der Versorgungswerke ein reduzierter Beitrag zu zahlen.
Aufwandsentschädigung aus Ehrenamt als Grundlage der Beitragsberechnung
Im konkreten Fall hatte das zuständige Versorgungswerk den monatlichen Beitrag eines angestellten Rechtsanwalts auf monatlich 37,09 EUR festgesetzt. Dabei ist das Versorgungswerk von Jahreseinkünften in Höhe von 2.393 EUR ausgegangen. Bei diesen Einkünften handelte es sich ausschließlich um Aufwandsentschädigungen des Klägers für seine Tätigkeit als Mitglied und Fraktionsvorsitzender in der Bezirksvertretung einer kreisfreien Stadt.
Anfechtungsklage gegen Beitragsbescheid
Gegen diesen Bescheid hat der betroffene Rechtsanwalt verwaltungsgerichtliche Klage eingereicht, mit der Begründung, bei den Aufwandsentschädigungen für seine ehrenamtliche kommunalpolitische Tätigkeit handle es sich nicht um Erwerbseinkommen. Gemäß § 30 der Satzung des beklagten Versorgungswerks seien die Beiträge zum Versorgungswerk auf der Grundlage des Erwerbseinkommens zu berechnen.
Beitragssatz unter Einbeziehung sämtlicher Einkünfte?
Das VG stellte aus seiner Sicht zunächst die Begrifflichkeiten klar: Gemäß § 30 Abs. 2 der Satzung des betreffenden Versorgungswerks sei der Beitragssatz auf der Grundlage des aus selbständiger Tätigkeit erzielten Arbeitseinkommens und des im Rahmen abhängiger Beschäftigung eingenommenen Arbeitsentgeltes zu berechnen. Die Vorschrift verweise auf die allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und übernehme damit deren Einkommensbegriff. Eine Eingrenzung auf bestimmte Tätigkeiten erfolge bewusst nicht (OVG NRW, Urteil v. 22.6. 2010, 17 A 197/08).
Einkünfte aus nicht anwaltstypischer Tätigkeit
Aus der Anknüpfung an die Begriffe des Arbeitsentgelts i. S. v. § 14 SGB IV und des Arbeitseinkommens nach § 15 SGB IV folge, dass sämtliche Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit als Arbeitsentgelt und aus freiberuflicher oder selbständiger Tätigkeit als Arbeitseinkommen Grundlage der Bemessung seien. Ob die Tätigkeit anwaltstypisch sei oder nicht, spiele dabei keine Rolle (OVG NRW, Beschluss v. 2.3.2011, 17 B 1505/10).
Maßgeblich ist die Begrifflichkeit des Einkommensteuerrechts
Nach den entsprechenden Vorschriften des SGB IV sei Einkommen immer dann als Arbeitseinkommen zu werten, wenn das Einkommensteuerrecht es als Arbeitseinkommen einstuft. Dies gelte gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für Einkünfte aus selbständiger Arbeit und gem. § 18 Abs. 1 EStG auch für Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit. Zu letzteren gehörten auch Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit (BFH, Beschluss v. 14.4.2011, VIII B 110/10).
Gewinnerzielungsabsicht muss nicht im Vordergrund stehen
Die Rechtsauffassung des Klägers, das ehrenamtliche Engagement in der Kommunalpolitik erfolge ohne Gewinnerzielungsabsicht und sei deshalb keine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 EStG, überzeugte das Gericht nicht. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass Ratsmitglieder ihre Tätigkeit zwar in erster Linie aus politischen Motiven ausüben und die Absicht, hierfür eine Vergütung zu erzielen, in den Hintergrund rücke. Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit genüge aber, dass die Gewinnerzielungsabsicht Nebenzweck ist, wie dies in § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG für gewerbliche Einkünfte ausdrücklich klargestellt werde. Für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gelte nichts anderes (BFH, Beschluss v. 13.6.2013, III B 156/12; OVG Münster, Beschluss v. 20.8.2020, 17 A 4414/19).
Identische Begrifflichkeit im Sozial- und Einkommensteuerrecht
Nach Auffassung des Gerichts hat die Beurteilung einer selbständigen Tätigkeit hier auch nicht nach einer spezifisch sozialrechtlichen Sichtweise zu erfolgen. Bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 SGB IV folge, dass die steuerliche Zuordnung für die Bewertung des Einkommens als Arbeitseinkommen maßgeblich ist. Die Gesetzesbegründung lasse erkennen, dass eine „volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens“ erreicht werden soll. Eine Differenzierung entspreche damit nicht dem Willen des Gesetzgebers (BSG, Urteil v. 25.2.2004, B 5 RJ 56/02 R).
Klage abgewiesen
Im Ergebnis hat das VG daher die Anfechtungsklage des Anwalts gegen den Beitragsbescheid des Versorgungswerks abgewiesen.
(VG Minden, Urteil v. 12.1.2024, 2 K 2771/21)
Hintergrund:
Die Rechtsprechung zur Einordnung von Aufwandsentschädigungen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist nicht einheitlich:
Das Hessische LSG hatte die ehrenamtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Stadtverordneter anders bewertet als das VG Minden. Begründung: Bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit fehle typischerweise die Gewinnerzielungsabsicht. Die Motivation, am politischen Willensbildungsprozess in der kommunalen Selbstverwaltung mitzuwirken und dem Gemeinwohl zu dienen, schließe eine Gewinnerzielungsabsicht auch als Nebenzweck aus (Hessisches LSG, Urteil v. 17.3.2022, L 1 KR 412/20).
Das Sozialgericht des Saarlandes und das Sozialgericht Detmold hatten in Entscheidungen aus den Jahren 2020 und 2022 die noch weitergehende Auffassung vertreten, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit mangels Erwerbsabsicht und Erwerbsmäßigkeit keine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB sein könne (Sozialgericht für das Saarland, Urteil v. 7.12.2020, S 20 KR 85/20; Sozialgericht Detmold, Urteil v. 31.3.2022, S 32 KR 1498/20).
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