Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die einen Fachanwaltstitel führen, sollten die jährlichen Nachweispflichten zur Aufrechterhaltung des Fachanwaltstitels ernst nehmen, wenn sie nicht den Verlust der Fachanwaltsbezeichnung riskieren wollen. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH in aller Deutlichkeit.
Erlaubnis für Fachanwaltsbezeichnung widerrufen
Gegenstand der Entscheidung des BGH war die Klage eines Rechtsanwalts und Steuerberaters, der seit dem Jahr 1990 die Bezeichnung „Fachanwalt für Steuerrecht“ trug. Im Jahr 2023 widerrief die zuständige RAK die Erlaubnis zum Tragen der Fachanwaltsbezeichnung. Begründung: Der Kläger habe seine Fortbildungspflichten nicht erfüllt.
Fachanwaltstitel erfordert regelmäßige Fortbildungsnachweise
Gegen den Widerruf klagte der Anwalt vor dem zuständigen AGH. Er vertrat die Auffassung, die Nachweispflichten gemäß § 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO, §§ 15, 25 FAO vollständig erfüllt zu haben. Streitpunkt war die Auslegung des § 15 FAO. Hiernach ist jährlich ein Nachweis über 15 Zeitstunden erfolgter Fortbildungsmaßnahmen zu erbringen. Gemäß § 15 Abs. 4 FAO können hiervon 5 Zeitstunden im Wege des Selbststudiums absolviert werden.
Nachweis des Selbststudiums durch Eigenbestätigung?
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass als Nachweis für die 5 Zeitstunden im Selbststudium gemäß § 15 Abs. 4 FAO keine sogenannte Fremdbestätigung erforderlich sei. Vielmehr folge aus dem Sinn der Vorschrift, dass diese 5 Zeitstunden auch durch die Lektüre von einschlägigen Fachzeitschriften erbracht werden könnten. Bei dieser Eigenlektüre im Selbststudium seien in der Regel keine weiteren Personen anwesend, sodass nach Sinn und Zweck dieser berufsrechtlichen Vorschrift der Nachweis durch eine Eigenbestätigung des Fachanwalts erbracht werden könne.
Anwaltliche Eigenbestätigung genügt dem BGH nicht
Diese Ausführungen des Klägers überzeugten weder den angerufenen AGH noch den BGH. Der BGH zeigte in seiner ablehnenden Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen die negative Entscheidung des AGH wenig Verständnis für die vom Kläger vorgetragenen Gründe.
Fortbildungsnachweis nur durch Fremdbescheinigung und Leistungserfolgskontrolle
Nach Auffassung des BGH ist die Frage, auf welche Weise ein Nachweis für die gemäß § 15 Abs. 4 FAO erforderlichen 5 Zeitstunden für eine Fortbildung im Wege des Selbststudiums, hinreichend geklärt. Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 FAO sei diese Form der Fortbildung durch Bescheinigungen und Lernerfolgskontrollen nachzuweisen. Nach den berufsrechtlichen Vorschriften reiche eine anwaltliche Versicherung des Selbststudiums als Nachweis gerade nicht aus. Im Rahmen der Einführung der Vorschrift habe die BRAK als Beispiel die Teilnahme an einer Online-Fortbildung genannt, bei der eine Leistungserfolgskontrolle durch ein Prüfungsmodul mit gesonderter Bescheinigung – sozusagen als Kontrollminimum – stattfinden könne.
Widerruf war nicht unverhältnismäßig
Entgegen der Auffassung des Klägers hält der BGH den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung im konkreten Fall auch nicht für unverhältnismäßig. Die vom Kläger ins Feld geführten Möglichkeiten einer Untersagung auf Zeit oder der Erteilung einer Rüge als mildere Mittel stünden nach § 15 FAO im Ermessen der zuständigen Rechtsanwaltskammer. Innerhalb dieses Ermessens könne die Kammer dem betreffenden Anwalt auch die Nachholung einer versäumten Fortbildung ermöglichen, müsse dies aber nicht. Denn nach Verletzung der Fortbildungspflicht stehe mit Ablauf eines Jahres das Nichterreichen der vorgeschriebenen Fortbildungsstunden für das betreffende Jahr unumkehrbar fest (BGH, Urteil v. 8.4.2013, AnwZ 16/12).
Fortbildung dient Sicherung des Qualitätsstandards
Der BGH legte besonderen Wert auf die Zielrichtung der vorgeschriebenen Fortbildungsmaßnahmen, nämlich einen einheitlichen Qualitätsstandard der Fachanwälte sicherzustellen, deren spezifische Fachkenntnisse jeweils dem neuesten Stand von Gesetzgebung und Rechtsprechung genügen (BGH, Urteil v. 26.11.2012, AnwZ 56/11).
RAK hat Raum zur Berücksichtigung individueller Besonderheiten
Alles in allem steht der jeweils zuständigen Kammer nach Auffassung des Senats ein ausreichender Ermessensspielraum zur Berücksichtigung besonderer Einzelumstände und zur Vermeidung unnötiger Härten zur Verfügung. So könne die RAK im Rahmen ihres Ermessens auch individuelle Besonderheiten wie zum Beispiel längere Erkrankungen berücksichtigen (BGH, Beschluss v. 5.5.2014, AnwZ 76/13). Dies habe die Kammer hier durch ausreichende Nachfristen wegen einer Corona-Erkrankung des Anwalts und eines Meniskusrisses im Folgejahr in angemessener Weise getan.
Kläger hat Fortbildungspflicht mehrfach verletzt
Im Ergebnis hatte die RAK nach Auffassung des BGH von den ihr zur Verfügung stehenden Ermessensspielräumen hinreichend Gebrauch gemacht. Der Kläger habe seine Fortbildungspflicht nicht nur einmal verletzt, sondern in 3 aufeinanderfolgenden Jahren nicht erfüllt. In sämtlichen Fällen habe der Kläger die ihm in ausreichendem Umfang eingeräumten Nachfristen nicht genutzt, sodass der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung unter keinem Gesichtspunkt unverhältnismäßig gewesen sei.
Fortbildungspflicht gilt auch für Steuerberater
An diesem Ergebnis ändert nach der Entscheidung des BGH auch der Hinweis des Klägers auf seine Tätigkeit als Steuerberater und Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft und seine damit verbundene vertiefte ständige Praxis und langjährige Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts nichts. Auch daraus folge nicht zwingend, dass der Kläger das nach § 15 FAO intendierte hohe Niveau spezifischer Fachkenntnisse auf der Höhe der Zeit gewährleisten könne.
Fachanwaltsbezeichnung ist weg
Der BGH wies damit den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des AGH zurück. Der Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung ist damit rechtskräftig.
(BGH, Beschluss v. 30.8.2024, AnwZ 18/24)
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