Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbildungspflicht eines Fachanwalts für Steuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Die reine Lektüre von Fachzeitschriften reicht ebenso wie die anwaltliche Versicherung des Selbststudiums als Nachweis für die kalenderjährlichen Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von 15 Zeitstunden nicht aus.
2. Die Anerkennung eines Selbststudiums setzt eine Lernerfolgskontrolle durch einen Dritten voraus.
3. Die Tätigkeit als Steuerberater und Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft hat der Anwaltsgerichtshof zutreffenden als nicht ausreichend angesehen.
Normenkette
BRAO § 43c Abs. 4 S. 2; FAO §§ 15, 25
Verfahrensgang
Bayerischer AGH (Urteil vom 25.01.2024; Aktenzeichen BayAGH III - 4 - 7/23) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 25. Januar 2024 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Dem Kläger, der seit dem Jahr 1984 Mitglied der beklagten Rechtsanwaltskammer und außerdem als Steuerberater tätig ist, wurde am 20. Februar 1990 die Erlaubnis erteilt, die Bezeichnung "Fachanwalt für Steuerrecht" zu führen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2023 widerrief die Beklagte diese Erlaubnis wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht nach § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, §§ 15, 25 FAO. Die dagegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.
II.
Rz. 2
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 3 VwGO) sind nicht gegeben.
Rz. 3
1. Ein Verfahrensfehler im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.
Rz. 4
Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits deshalb aufzuheben, weil der an der Entscheidung als Beisitzer beteiligte Richter am Oberlandesgericht Dr. E. nach Ansicht des Klägers wegen Befangenheit an dem Urteil nicht hätte mitwirken dürfen. Der Kläger kann die Mitwirkung des angeblich befangenen Richters nicht mehr als Verfahrensfehler im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend machen, weil er das Recht, die von ihm angeführten Ablehnungsgründe vorzubringen, bereits in erster Instanz gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO, § 43 ZPO verloren hat.
Rz. 5
Der Kläger begründet seine Besorgnis der Befangenheit von Richter am Oberlandesgericht Dr. E. mit dessen Verhalten in einem streitigen Verfahren vor dem Oberlandesgericht, in dem der Kläger Prozessbevollmächtigter einer Partei und der Richter Berichterstatter gewesen sei. Dort habe der Richter sich dem Kläger gegenüber "mehr als herablassend und abweisend" verhalten, die rechtlichen Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung unterbinden wollen, mehrfach an der begründungslosen Ablehnung von Befangenheitsanträgen des Klägers (wegen "Ignorierens einer Krankmeldung" bei der Terminierung) mitgewirkt und schließlich dem Kläger in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2023 hochemotional völlig unzutreffend vorgeworfen, er - der Kläger - habe dem Richter Rechtsbeugung vorgeworfen.
Rz. 6
Dieses (angebliche) Verhalten des Richters in einem anderen Verfahren kann der Kläger nicht zur Begründung seiner Befangenheit und damit eines Verfahrensfehlers gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO heranziehen, weil er sich in Kenntnis dieser (angeblichen) Umstände im hiesigen Verfahren in die mündliche Verhandlung am 25. Januar 2024 vor dem Anwaltsgerichtshof unter Beteiligung des Richters eingelassen und Anträge gestellt hat, ohne den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Damit hat er sein diesbezügliches Ablehnungsrecht bereits im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO, § 43 ZPO verloren (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 3; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 112c BRAO Rn. 87), womit ihm auch eine Geltendmachung der Mitwirkung des aus diesen Gründen angeblich befangenen Richters als Verfahrensfehler im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO verwehrt ist (vgl. BVerwG, NVwZ 2003, 1132, 1133 f. zu § 132 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
Rz. 7
2. Der Rechtsstreit hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 8
Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. April 2019- AnwZ (Brfg) 3/19, ZInsO 2019, 1368 Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Rz. 9
a) Der Kläger meint, es sei grundsätzlich klarzustellen, dass die Regelung des § 15 FAO, nach der ein Fachanwalt kalenderjährlich Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von 15 Zeitstunden unaufgefordert nachzuweisen habe (§ 15 Abs. 3 und Abs. 5 FAO), im Wege der Auslegung dahingehend zu verstehen sei, dass nur 10 Zeitstunden durch Fremdbestätigung nachzuweisen seien. Dies, so der Kläger, folge daraus, dass gemäß § 15 Abs. 4 FAO bis zu 5 Zeitstunden auch durch die Lektüre von Fachzeitschriften nebst Leistungsnachweis abgedeckt werden könnten. Da jeder Rechtsanwalt und - wie er - Steuerberater selbstverständlich immer wieder Fachzeitschriften lese und der erforderliche Nachweis auch durch die bloße Mitteilung des Rechtsanwalts erbracht werden könne, dass er 5 Stunden Fachzeitschriften gelesen habe, seien die Vorgaben von § 15 Abs. 3 und Abs. 5 FAO auch bei einer Fremdbestätigung von (nur)10 Zeitstunden erfüllt.
Rz. 10
Die vom Kläger damit aufgeworfene Frage ist nicht klärungsbedürftig, sondern unschwer - und zwar im gegenteiligen Sinne - bereits anhand der existierenden berufsrechtlichen Regelungen zu beantworten.
Rz. 11
Nach § 15 Abs. 4 FAO können bis zu 5 Zeitstunden im Wege des Selbststudiums absolviert werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle erfolgt; nach § 15 Abs. 5 Satz 2 FAO ist die Fortbildung im Sinne des Absatzes 4 durch Bescheinigungen und Lernerfolgskontrollen nachzuweisen. Bereits daraus ergibt sich, dass das Selbststudium zur Anerkennung als Fortbildung mittels einer Lernerfolgskontrolle erfolgen muss und die reine Lektüre von Fachzeitschriften ebenso wie die anwaltliche Versicherung des Selbststudiums als Nachweis gerade nicht ausreicht. Das wurde auch in der Begründung, die dem Plenum der5. Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer zur Sitzung am6./7. Dezember 2013 zum Beschluss über die Einführung von § 15 Abs. 4 FAO vorgelegt wurde, ausdrücklich klargestellt. Als Beispiel für eine danach mögliche Fortbildung wurde die Teilnahme an einer Online-Fortbildung genannt, die nicht die Interaktionsanforderungen von § 15 Abs. 2 FAO erfülle, bei der aber eine Leistungserfolgskontrolle durch Teilnahme an einem an den Lerninhalten anknüpfenden Prüfungsmodul mit gesonderter Bescheinigung stattfinde (Anlage zum Protokoll der Sitzung der Satzungsversammlung vom 6./7. Dezember 2013, SV-Mat. 2013, S. 3, zitiert bei Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 15 FAO Rn. 23).
Rz. 12
Dementsprechend wird auch in der Literatur darauf hingewiesen, dass eine Lernerfolgskontrolle für die Anerkennung als Selbststudium als "Minimum" eine Kontrolle nicht durch den Fachanwalt selbst, sondern durch einen Dritten voraussetze (so Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 15 FAO Rn. 24; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 8. Aufl., § 15 FAO Rn. 90; BeckOK FAO/Günther, § 15 Rn. 16 [Stand: 1. Mai 2024]). Einer weitergehenden Klarstellung zu der vom Kläger aufgeworfenen Frage bedarf es daher nicht.
Rz. 13
b) Der Rechtsstreit wirft auch nicht die grundsätzlich klärungsbedürftige Frage auf, ob die Regelungen zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung unverhältnismäßig sind, weil sie - so der Kläger - keine Abstufung für die Ermessensausübung der Rechtsanwaltskammer dahingehend vorsehen, bei fehlenden Fortbildungsnachweisen statt des Widerrufs zunächst ein milderes Mittel wie z.B. eine nur zeitweise Untersagung der Führung der Bezeichnung (dazu unter aa)) oder den Ausspruch einer Rüge (dazu unter bb)) zu wählen. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Senats zu § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, § 15 FAO hinreichend geklärt (aa) oder aber nicht entscheidungserheblich (bb).
Rz. 14
aa) Gemäß § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO steht die Entscheidung über einen Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung wegen Unterlassung einer in der Berufsordnung vorgeschriebenen Fortbildung im Ermessen der Rechtsanwaltskammer. Hierzu bestimmt die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Neuregelung in § 15 Abs. 5 Satz 3 FAO (Beschluss der 7. Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer vom 8. Mai 2023, BRAK-Mitt. 2023, 245, 246), dass die Rechtsanwaltskammer der Fachanwältin oder dem Fachanwalt bei fehlendem oder nicht vollständigem Nachweis der Fortbildung Gelegenheit geben muss, innerhalb einer angemessenen Frist fehlende Fortbildungsstunden nachzuholen. Diese Regelung war zwar im Zeitpunkt des Widerrufs der Erlaubnis des Klägers im Februar 2023 noch nicht anwendbar. Bereits damals war in der Rechtsprechung des Senats aber hinreichend geklärt, dass es unter Umständen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung der Rechtsanwaltskammer entsprechen kann, zunächst die Nachholung einer versäumten Fortbildung zu ermöglichen.
Rz. 15
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats steht zwar die Verletzung der Fortbildungspflicht bei Nichterreichen der vorgeschriebenen Fortbildungsstunden mit dem Ablauf des jeweiligen Jahres unumkehrbar fest und kommt eine die Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirkend heilende Nachholung der Fortbildung im Folgejahr nicht in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, NJW-RR 2014, 1083 Rn. 9).
Rz. 16
Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht führt allerdings nicht zwingend zum Widerruf. Vielmehr steht die Entscheidung über den Widerruf im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands der Rechtsanwaltskammer. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa eine auf Grund Erkrankung unverschuldete Versäumung der Fortbildung, zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 2. April 2001 - AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945; Urteil vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 9, 12; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, NJW-RR 2014, 1083 Rn. 10). Dabei können auch erst nach Ablauf des jeweiligen Jahres eingetretene Umstände einbezogen werden (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10). Insbesondere hat der Senat es daher auch schon vor der ausdrücklichen Regelung in § 15 Abs. 5 Satz 3 FAO für möglich erachtet, dass die Rechtsanwaltskammer der Rechtsanwältin bzw. dem Rechtsanwalt in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens zunächst Gelegenheit gibt, die versäumte Fortbildung im Folgejahr nachzuholen. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen einer im Vorjahr unterbliebenen und der im nachfolgenden Jahr zusätzlichen Fortbildung war danach ein Absehen vom Widerruf trotz des Hintergrundes der Zielrichtung der Fortbildung, einen einheitlichen Qualitätsstandard sicherzustellen, bei dem die spezifischen Fachkenntnisse jeweils auf dem neuesten Stand gehalten werden, als nicht ermessensfehlerhaft anzusehen (vgl. Senat, Urteile vom 26. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 9 und vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13, NJW-RR 2014, 1083 Rn. 10; siehe auch Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 43c BRAO Rn. 57; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 8. Aufl., § 43c BRAO Rn. 80 ff.; Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 43c BRAO Rn. 82; BeckOK FAO/Günther, § 15 Rn. 22a, 24 [Stand: 1. Mai 2024]).
Rz. 17
(2) Diese Grundsätze, die der Anwaltsgerichtshof bei seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt und angewandt hat, lassen dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, genügend Spielraum, in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens den Umständen des jeweiligen Einzelfalls vor einem Widerruf gebührend Rechnung zu tragen. Vor allem in Anbetracht der Möglichkeit, der Fachanwältin bzw. dem Fachanwalt zunächst die Gelegenheit zur Nachholung der versäumten Fortbildung zu geben, bedurfte und bedarf es der zusätzlichen Möglichkeit einer nur zeitweisen Untersagung der Führung der Fachanwaltsbezeichnung (bis zur Nachholung der Fortbildung) daher nicht.
Rz. 18
bb) Soweit der Kläger außerdem für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob der Vorstand der Rechtsanwaltskammer im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehalten sei, vor einem Widerruf der Erlaubnis wegen Verletzung der Fortbildungspflicht zunächst als milderes Mittel eine diesbezügliche Rüge auszusprechen, werden in der Literatur zwar unterschiedliche Auffassungen zum Verhältnis von § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO zum Rügerecht nach § 74 BRAO vertreten (vgl. Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 8. Aufl., § 43c BRAO Rn. 87 f.; Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 25 FAO Rn. 3; Weyland/Vossebürger, BRAO, 11. Aufl., § 15 FAO Rn. 7b; Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 15 FAO Rn. 79 f.; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., § 15 FAO Rn. 12).
Rz. 19
Die Frage wäre hier aber nur entscheidungserheblich, wenn der Senat - falls er bei Verletzung der Fortbildungspflicht eine Rüge für grundsätzlich möglich hielte - den Widerruf der Erlaubnis im konkreten Fall ohne vorangegangene Rüge für unverhältnismäßig hielte. Das ist nicht der Fall.
Rz. 20
Wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger seine Fortbildungspflicht nicht nur einmal, sondern in drei aufeinanderfolgenden Jahren (2020 bis 2022) nicht erfüllt. Die Beklagte hat ihn mit Schreiben vom 6. April 2022 darauf hingewiesen, dass er für das Jahr 2020 Forderungsnachweise nur für 7,5 Zeitstunden und für das Jahr 2021 nur für 6,5 Zeitstunden erbracht und für das Jahr 2022 bislang noch keine Nachweise vorgelegt habe. Mit Schreiben vom 1. Juni 2022 hat sie ihm die Möglichkeit gegeben, die fehlenden 16 Zeitstunden für die Jahre 2020 und 2021 bis spätestens 30. September 2022, mithin binnen vier Monaten, sowie die weiteren 15 Zeitstunden für das Jahr 2022 gemäß der gesetzlichen Regelung bis zum 31. Dezember 2022 nachzuweisen. Damit hat sie ihm - auch unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Erkrankungen - ausreichend Zeit eingeräumt, etwa unverschuldete Fortbildungsversäumnisse durch verstärkte Fortbildungen in 2022 auszugleichen. Diese Möglichkeit hat der Kläger jedoch nicht genutzt, sondern im Jahr 2022 bis zum Jahresende insgesamt lediglich 14,25 Zeitstunden nachgewiesen.
Rz. 21
Dass in diesem Fall der Ausspruch einer Rüge als nochmalige Warnung vor einem Widerruf der Erlaubnis geboten und zudem erfolgversprechend gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass die von § 15 FAO intendierte Gewährleistung eines einheitlichen Qualitätsstandards bei Führung einer Fachanwaltsbezeichnung angesichts der wiederholten, teils beträchtlichen Verletzung der Fortbildungspflicht in drei aufeinanderfolgenden Jahren (in den Jahren 2020 und 2021 die Hälfte der vorgeschriebenen15 Zeitstunden) bereits erheblich beeinträchtigt war. Den vom Kläger dagegen angeführten Ausgleich durch seine Tätigkeit als Steuerberater und Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft hat der Anwaltsgerichtshof mit der zutreffenden Begründung als nicht ausreichend angesehen, dass auch eine vertiefte ständige Praxis oder langjährige Erfahrung auf dem jeweiligen Fachgebiet allein die von § 15 FAO intendierte Gewährleistung von spezifischen Fachkenntnissen "auf der Höhe der Zeit" nicht sicherstellen kann.
III.
Rz. 22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 76/13,NJW-RR 2014, 1083 Rn. 15).
Limperg Remmert Grüneberg
Kau Geßner
Fundstellen
NJW 2024, 10 |
NJW-RR 2024, 1378 |
AnwBl 2024, 337 |
NJW-Spezial 2024, 734 |