Keine Eheschließung per Videokonferenz


Keine Eheschließung per Videokonferenz

Nach dem OVG Berlin-Brandenburg hat und auch der BGH geurteilt, dass eine Eheschließung per Videocall nach deutschem Recht nicht möglich ist. Bei einer Videoheirat im Ausland kann das anders sein.

Was zunächst kurios klingt – eine Eheschließung per Videokonferenz – ist nicht überall ausgeschlossen. Eine Eheschließung in Deutschland ist nur bei physischer Anwesenheit beider heiratswilliger Partner und persönlicher Anwesenheit des Standesbeamten möglich. Dies haben das OVG Berlin-Brandenburg und der BGH in zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen entschieden.

Antrag einer afghanischen Ehefrau auf Visum für Ehegattennachzug

In dem vom OVG entschiedenen Fall ging es um die Erteilung eines Visums zugunsten einer afghanischen Staatsangehörigen. Diese hatte das Visum zum Zwecke des Ehegattennachzugs aus Afghanistan zu ihrem in Deutschland lebenden Ehemann beantragt.

Ihrem Antrag an die deutsche Botschaft hatte sie eine afghanische Heiratsbescheinigung sowie deren englische Übersetzung beigefügt.

Eheschließung per Videokonferenz

Die Eheschließung war nach Darstellung der Antragstellerin im Rahmen einer Videokonferenz erfolgt. Ihr Verlobter sei von seiner deutschen Heimat aus der Eheschließungszeremonie per Videocall in Begleitung zweier Zeugen zugeschaltet gewesen. Die deutsche Botschaft lehnte den Antrag auf Erteilung eines Visums ab. Begründung: Die Antragstellerin habe keine wirksame Eheschließung nachgewiesen.

VG bewertete Eheschließung nach Scharia-Recht

Die gegen den Ablehnungsbescheid eingereichte Klage hatte beim VG Berlin Erfolg. Nach Auffassung des VG war die Ehe als Auslandstrauung nach afghanischem Scharia-Recht zu beurteilen. Dieses erfordere für eine Eheschließung, eine Zusammenkunft unter Anwesenheit zweier männlicher Zeugen sowie den Nachweis einer Brautgabe. Der Begriff der Zusammenkunft sei nach afghanischem Recht weit gefasst und bei einer Videoschalte erfüllt. Da auch die übrigen Voraussetzungen gegeben seien, sei die Eheschließung wirksam erfolgt. Die Botschaft müsse daher das beantragte Visum zum Zwecke des Ehegattennachzugs erteilen.

Deutsches Recht erfordert persönliche Anwesenheit bei Eheschließung

Dies sah das OVG in der Berufungsinstanz anders. Der Ehemann habe sich während der Trauungszeremonie in Deutschland aufgehalten, sodass der Ort der Eheschließung zumindest auch im Inland liege. Deshalb seien bei einer solchen Eheschließung die formellen Voraussetzungen des deutschen Rechts einzuhalten. Gemäß § 1311 Satz 1 BGB setze ein wirksames Ja-Wort zur Eheschließung die persönliche und gleichzeitige physische Anwesenheit beider Partner am gleichen Ort voraus.

Sicherstellung des Konsensprinzips

Das OVG wies auf Sinn und Zweck des § 1311 Satz 1 BGB hin. Die gleichzeitige Anwesenheit beider Partner diene dazu, sicherzustellen, dass die Eheschließung auf einer freien und ernstlichen Entscheidung sowie dem Konsens beider Partner beruht. Die Video-Eheschließung erfülle im konkreten Fall diese Voraussetzungen nicht. Daher bestehe kein Anspruch auf Erteilung eines Visums für den Ehegattennachzug (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.8.2024, 6 B 1/24).

Eheschließung von Deutschland aus per Videocall durch US-Standesbeamten

Zum gleichen Ergebnis gelangte der BGH in einem etwas anders gelagerten Fall. 2 nigerianische Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, hatten im Mai 2021 per Videokonferenz die Ehe vor einer Behörde in Utah (USA) geschlossen. Die Eheschließenden hielten sich während der Trauung am gleichen Ort in Deutschland auf, während der Standesbeamte in Utah per Videokonferenz die Trauungszeremonie leitete. Als Nachweis für die Eheschließung erhielten die Eheleute ein Ehezeugnis mit Apostille nach amerikanischem Recht.

Doppelt geheiratet hält besser

Die beiden nigerianischen Staatsangehörigen hatten anschließend Zweifel an der Wirksamkeit ihres Vorgehens und beschlossen, eine Eheschließung nach deutschem Recht nachzuholen, zumal eine deutsche Meldebehörde die Eheschließung nicht ohne weiteres anerkennen wollte. Da hatten sie die Rechnung ohne das Standesamt gemacht. Dieses hatte nämlich Bedenken, dass die bereits vollzogene Eheschließung in den USA einer erneuten Eheschließung in Deutschland entgegenstehen könnte.

Zweifelsvorlage an das AG

Das Standesamt legte die Sache im Rahmen einer sogenannten Zweifelsvorlage dem zuständigen Amtsgericht zur Entscheidung vor. Dieses – wie auch in 2. Instanz das OLG – bewertete die Eheschließung per Videokonferenz mit der US-Behörde als unwirksam. Die Gerichte wiesen das Standesamt an, die erneute Eheschließung nicht an der nach deutschem Recht unwirksamen Eheschließung in den USA scheitern zu lassen.

Standesamtsaufsicht rief BGH an

Die Standesamtsaufsicht gab sich mit diesen gerichtlichen Entscheidungen nicht zufrieden und legte Rechtsbeschwerde beim BGH ein. Dieser sprach nun ein Machtwort und belehrte die Behörde, dass eine Eheschließung in Deutschland nur in der vorgeschriebenen Form der §§ 1310, 1311 BGB möglich sei. Dies beinhalte die persönliche Abgabe des Ja-Wortes beider Partner vor dem persönlich anwesenden Standesbeamten.

Für Eheschließungen im Inland gelten deutsche Formvorschriften

Dies folgt nach der Entscheidung des BGH aus Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB, der für eine Eheschließung im Inland die Beachtung der inländischen Formvorschriften vorsieht. Da beide Eheschließenden sich während der Videokonferenz im Inland aufgehalten hätten, sei der wesentliche Teil der Eheschließung im Inland verwirklicht worden. Deshalb bestehen laut BGH keine Zweifel, dass in diesem Fall die deutschen Formvorschriften einzuhalten waren. Der Senat wies ausdrücklich darauf hin, dass dies auch dann gelten würde, wenn - wie in dem vom OVG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall - nur einer der Eheschließenden sein Ja-Wort in Deutschland abgegeben hätte.

Erneute Eheschließung ist möglich

Obwohl die Eheschließung nach amerikanischem Recht wirksam war, ist sie nach dem Diktum des BGH dennoch im Inland unwirksam. Deshalb darf dem Paar eine erneute Eheschließung nach deutschem Recht nicht verwehrt werden.

(BGH, Beschluss v. 25.9.2024, XII ZB 244/22)