Online-Bewertung „Nicht besonders fähiger Rechtsanwalt“
Bewertungsplattformen im Netz gewinnen für die geschäftliche Entwicklung von Rechtsanwaltskanzleien – wie auch von anderen freien Berufen und Unternehmen – zunehmend an Bedeutung. Negative Bewertungen mindern die Reputation und können Geschäftskontakte kosten. Das OLG Bamberg hat die Bewertung eines Anwalts als „nicht besonders fähiger Rechtsanwalt“ als zulässige, hinzunehmende Meinungsäußerung eines Mandanten eingestuft werden.
Ein-Sterne-Bewertung mit negativem Begleitkommentar
Im konkreten Fall hatte ein ehemaliger Mandant die Leistung seines Anwalts mit einem von fünf möglichen Sternen bewertet. Der Mandant führte in seiner kommentierenden Beurteilung aus: „Diese Rechtsanwaltskanzlei kann ich NICHT weiterempfehlen. Dies liegt allein an dem meiner Meinung nach nicht besonders fähigen Rechtsanwalt NN“.
Mandat endete wegen nicht gezahltem Kostenvorschuss
Vorausgegangen war die Mandatierung einer aus mehreren Anwälten bestehenden Rechtsanwaltskanzlei, zu der auch der bewertete Anwalt gehört. Der Mandant und spätere Beklagte hatte den Anwalt mit der Geltendmachung von Schadenersatz im Rahmen eines Verkehrsunfalls beauftragt. Zu einer gerichtlichen Klage kam es nicht, weil der Beklagte den von der Anwaltskanzlei in Rechnung gestellten Kostenvorschuss nicht leistete.
Rechtsanwalt klagte auf Unterlassung
Der auf diese Weise bewertete Anwalt ging gerichtlich gegen die Online-Bewertung vor und forderte Unterlassung. Nach seiner Auffassung enthielt die Bewertung eine unsachliche Schmähkritik mit dem einzigen Zweck, ihn in seiner Stellung als Anwalt zu diskreditieren. Die pauschale Beurteilung als unfähig enthalte nicht nur einen Angriff auf seine Menschenwürde, sondern darüber hinaus einen Angriff auf seinen sozialen Geltungsanspruch in seinem Beruf als Rechtsanwalt und verletze ihn damit in seinem durch Art. 14 GG geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen erforderlich
In einem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss betonte das OLG, dass in Fällen negativer Online-Bewertungen das Recht des Anwalts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit der nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit des Bewerters abzuwägen sei.
Kern der Bewertung ist eine subjektive Leistungsbeurteilung
Die von dem Beklagten im konkreten Fall abgegebene Bewertung enthielt nach Meinung des OLG zunächst konkludent die Tatsachenbehauptung, dass ein ehemaliges Mandatsverhältnis Grundlage der Bewertung ist. Diese Tatsachenbehauptung entspreche der Wahrheit. Daneben enthalte die Bewertung in ihrem Kern eine stark subjektiv geprägte Beurteilung der Ausführung des Mandats durch den betreffenden Anwalt. Die Ein-Sterne-Bewertung bringe die Unzufriedenheit des Bewerters mit der Tätigkeit des bewerteten Anwalts zum Ausdruck und sei in ihrem inhaltlichen Wesenskern eine Meinungsäußerung. Diese stehe unter dem Schutz des Art. 5 GG.
Recht auf freie Meinungsäußerung hat hohen Rang
Nach Auffassung des OLG haben Mandanten – ebenso wie Kunden von Unternehmen – ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, über ihre geschäftlichen Erfahrungen öffentlich ein Urteil abzugeben und sich mit anderen im Netz auszutauschen. Dieser verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit des Bewerters komme jedenfalls dann ein höherer Rang zu als den tangierten Rechtspositionen des Bewerteten zu, solange die Äußerungen keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen enthielten und es sich bei der geäußerten Kritik nicht um reine Schmähungen oder Beleidigungen handle. Letzteres sei hier nicht der Fall, sodass die abgegebene Ein-Sterne-Bewertung als zulässige Meinungsäußerung rechtlich nicht zu beanstanden sei.
Unterlassungsanspruch nicht begründet
Der geltend gemachte Anspruch Unterlassung hatte daher nach Auffassung des OLG keine Aussicht auf Erfolg. Dies brachte der Senat in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss zum Ausdruck.
(OLG Bamberg, Beschluss v. 14.6.2024, 6 U 17/24)
Hintergrund:
Negative Online-Bewertungen von Anwälten, anderen Freiberuflern und Unternehmen werden in der Rechtsprechung regelmäßig als zulässig angesehen. Die Grundzüge der bisher ergangenen Gerichtsentscheidungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Eine Ein-Sterne-Bewertung verbunden mit Attributen wie „nicht empfehlenswert“ ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt und daher zulässig (BGH, Urteil v. 28.9.2022, VIII ZR 319/20).
- Bewertungen dürfen emotional geprägt und müssen nicht sachlich formuliert sein. Sie dürfen aber keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen enthalten (LG Frankenthal, Urteil v. 22.5.2023, 6 O 18/23).
- Unzulässig ist reine Schmähkritik, wenn beispielsweise einem Rechtsanwalt ohne erkennbare Tatsachengrundlage jegliche Professionalität abgesprochen wird und ein schützenswertes Interesse an der Meinungsäußerung des Bewerters unter keinem Gesichtspunkt erkennbar ist (OLG Stuttgart, Urteil v. 31.8.2022, 4 U 17/22).
- Erfolgt die Bewertung eines Anwalts ohne ein zugrundeliegendes Mandatsverhältnis ist die Bewertung unzulässig, da eine Bewertung für das Publikum regelmäßig die konkludente Behauptung enthält, die Bewertung basiere auf der Grundlage eines Mandatsverhältnisses. Eine Bewertung kann aufgrund eines anderweitigen Geschäftskontakts ausnahmsweise dennoch zulässig sein, das fehlende Mandatsverhältnis muss dann aber in der Bewertung offengelegt werden (OLG Oldenburg, Urteil v. 4.6.2024, 13 U 11/23).
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