Internetbewertung von Anwälten ohne vorheriges Mandat
Bewertungsplattformen im Netz spielen für die geschäftliche Entwicklung von Unternehmen, von Arztpraxen und auch von Rechtsanwaltskanzleien inzwischen eine wichtige Rolle. Eine negative Bewertung kann schon mal einige Geschäftskontakte kosten. Eine Rechtsanwaltskanzlei aus Niedersachsen ging deshalb gegen eine solche Negativbewertung gerichtlich vor und verklagte den Bewerter auf Unterlassung.
Ein-Sterne-Bewertung einer Anwältin ohne Mandatsverhältnis
Im konkreten Fall hatte der Beklagte bei Google eine Ein-Sterne-Bewertung zu einer Rechtsanwältin abgegeben, die er zu keinem Zeitpunkt mandatiert hatte. Allerdings hatte er mit der Anwältin einen einmaligen telefonischen Kontakt in einer geschäftlichen Angelegenheit. Der Beklagte hatte eine Rechnung an eine von der Anwältin vertretene GbR gestellt und hatte wegen der Begleichung und Überprüfung der Rechnungspositionen mit der Anwältin telefoniert. Auf der Grundlage dieses Telefonats erfolgte die Bewertung der Anwältin mit einem Stern und dem Kommentar „Nein“ i. S. v. nicht empfehlenswert.
Bewertung tangiert verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen
Erstinstanzlich hatte die Unterlassungsklage in vollem Umfang Erfolg. Das LG hielt die Bewertung für unzulässig, weil sie entgegen dem mit der Bewertung beim Publikum hervorgerufenen Anschein nicht auf einem Mandatsverhältnis beruhte. Das zweitinstanzlich zuständige OLG beurteilte den Fall etwas differenzierter. Auch das OLG sah in der abgegebenen Bewertung eine potenzielle Verletzung des durch Art. 14 GG geschützten Rechtes der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie der nach Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit.
Abwägung der beiderseitigen Grundrechtspositionen erforderlich
Das OLG betonte jedoch, dass die Verfassung diese Rechtspositionen nicht unbegrenzt schützt. Die Rechte der Klägerin sei vielmehr gegen die nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit des Bewerters abzuwägen. Die Bewertung eines Rechtsanwalts in einem Internetportal enthalte regelmäßig eine Meinungsäußerung mit einem Tatsachenkern und sei – sofern es sich nicht um reine Schmähkritik und unwahre Tatsachenbehauptungen handle – durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 GG geschützt.
Üblicherweise ist Mandatsverhältnis Grundlage einer Bewertung
Online-Bewertungen auf einem Bewertungsportal erfolgten regelmäßig durch Kunden oder Abnehmer von bestimmten Leistungen, im Fall von Rechtsanwälten i. d. R. durch ehemalige Mandanten. Die User von Bewertungsportalen seien daran interessiert, ob und inwieweit der Bewerter mit der Handhabung des Mandats zufrieden war und wie er die erbrachten Leistungen beurteilt. Er gehe daher im Allgemeinen davon aus, dass zwischen dem Bewerter und dem Bewerteten ein Mandatsverhältnis bestanden habe.
Fehlvorstellungen des Publikums sind zu vermeiden
Der Fall, in dem zwischen dem Bewerter und dem Bewerteten kein Mandatsverhältnis bestanden habe, sei eher untypisch und könne bei den Usern des Bewertungsportals zu einem unrichtigen Eindruck führen. Eine solche unrichtige Vorstellung beim Publikum sei zu vermeiden, da das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb das Interesse des Anwalts an seiner wirtschaftlichen Reputation schützt sowie daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen und die herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden (BGH, Urteil v. 16.12.2014, VI ZR 39/14).
Keine Bewertung ohne Geschäftskontakt
Deshalb ist nach der Auffassung des OLG die Bewertung von Anwälten durch Nicht-Mandanten regelmäßig unzulässig. Das Recht auf freie Meinungsäußerung müsse bei einem fehlenden Mandatsverhältnis regelmäßig gegenüber den verfassungsrechtlichen Rechtspositionen der Bewerteten zurücktreten. Eine Ausnahme zugunsten der Meinungsfreiheit ist nach Auffassung des OLG aber dann zu machen, wenn zwischen dem Bewerter und dem Bewerteten ein anderweitiger geschäftlicher Kontakt bestanden hat, der ein Interesse des Bewerters an einer öffentlichen Kommentierung dieses Geschäftskontakts auslösen kann. Im konkreten Fall bewertete das Gericht die telefonische Unterredung zwischen dem Beklagten der Klägerin über eine konkrete Rechnung als ausreichend, um ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Bewertung der Anwältin zu begründen.
Fehlendes Mandatsverhältnis muss offenbart werden
Da es an einem konkreten Mandatsverhältnis fehlte, die Bewertung aber den Eindruck eines solchen Mandatsverhältnis hervorrief, stufte das Gericht den Kommentar in der gegebenen Form dennoch als irreführend und damit als rechtlich unzulässig ein. Nach dem Diktum des Gerichts hätte der Beklagte das fehlende Mandatsverhältnis und die lediglich kurze telefonische geschäftliche Unterredung als Grundlage der Bewertung offenlegen müssen. Dies folge aus dem auch hier geltenden Transparenzgebot. Ein Bewerter müsse die Grundlage klarstellen, auf der seine Bewertung beruht.
(OLG Oldenburg, Urteil v. 4.6.2024, 13 U 11/23)
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Hintergrund:
In der Rechtsprechung wird die Bewertung von Rechtsanwälten auf Internetportalen grundsätzlich als zulässig angesehen. Unzulässig sind Bewertungen, die reine Schmähkritik und/oder falsche Tatsachenbehauptungen enthalten. Darüber hinaus wird regelmäßig ein Mandatsverhältnis als Grundlage der Bewertung für erforderlich gehalten.
Negativbewertung durch den Prozessgegner
In einem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall hatte der Gegner in einem Zivilprozess über den Prozessvertreter der Gegenseite eine „Ein-Sterne-Bewertung“ bei Google abgegeben und in seiner Kommentierung unter anderem geäußert: „Kritisch: Professionalität…. Nicht empfehlenswert“. Nach dem Urteil des OLG stand dem Kläger gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung analog §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 12, Art. 19 Abs. 3 GG sowie ein Anspruch auf Löschung wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und wegen einer Verletzung des sozialen Geltungsanspruchs des Klägers als Wirtschaftsunternehmen zu. Der durch die Bewertung suggerierte leistungs- bzw. mandatsbezogene geschäftliche Kontakt entspreche nicht der Realität, sodass ein berechtigtes, schützenswertes Interesse des Beklagten an der vorgenommenen Bewertung nicht ersichtlich sei (OLG Stuttgart, Urteil v. 31.8.2022, 4 U 17/22).
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