Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Unterlassung einer im Internet veröffentlichten Bewertung einer Rechtsanwaltskanzlei.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hof (Urteil vom 05.03.2024; Aktenzeichen 15 O 5/23) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 05.03.2024 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Es ist ferner beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 15.000,00 EUR festzusetzen und den Streitwert für das Verfahren in erster Instanz auf 30.000,00 EUR abzuändern.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 05.07.2024.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Unterlassungs-, Widerrufs-, Löschungs- und Schadensersatzanspruch wegen der negativen Bewertung einer Rechtsanwaltskanzlei im Internet geltend.
Der Kläger ist Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei, für die der Klägervertreter als selbständiger Mitarbeiter tätig ist. Der Beklagte war im Jahr 2022 Mandant der Rechtsanwaltskanzlei und wurde vom Klägervertreter in einer Verkehrsunfallsache beraten und außergerichtlich vertreten. Ein weitergehendes Mandat kam nicht zustande, weil der Beklagte den vom Klägervertreter für ein gerichtliches Vorgehen geforderten Vorschuss nicht zahlte. Im November 2022 veröffentlichte der Beklagte - nach den Feststellungen des Landgerichts - "bei Google" eine Bewertung, mit der er die Kanzlei des Klägers mit einem von fünf möglichen Sternen bewertete und die den folgenden Text enthielt (vgl. Anlagen zum Schriftsatz vom 14.08.2023):
"Diese Rechtsanwaltskanzlei kann ich 'NICHT' weiterempfehlen. Dies liegt allein an dem meiner Meinung nach nicht besonders fähigen RA X."
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.01.2023 (Anlage K 4) forderte der Kläger den Beklagten erfolglos auf, die Bewertung zu unterlassen, zu widerrufen und zu löschen.
Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, die Bewertung des Beklagten sei "ein nicht durch die Meinungsfreiheit abgedecktes Werturteil", das "den Tatbestand der Beleidigung/üble Nachrede" erfülle. Die Bewertung des Beklagten enthalte eine Erklärung, warum er die Kanzlei des Klägers nicht empfehlen könne, "die letztlich ein subjektives Werturteil des Beklagten" enthalte und "keine Tatsachenbehauptung". Es handele sich um herabwürdigende, beleidigende Äußerungen, die so nicht stehen bleiben dürften.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es zukünftig zu unterlassen, über die Anwaltskanzlei des Klägers auf öffentlichen Bewertungsportalen negativ zu beurteilen und dabei zu behaupten, dass er
"Diese Rechtsanwaltskanzlei kann ich "Nicht" weiterempfehlen. Dies liegt allein an dem meiner Meinung nach nicht besonders fähigen RA X."
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Negativbewertung zu widerrufen und unverzüglich zu löschen bzw. löschen zu lassen.
3. Dem Beklagten ist für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 und 2. ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten im Einzelfall anzudrohen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz i.H.v. 15.000,00 EUR zu bezahlen.
5. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Kosten der Rechtswahrung i.H.v. 924,00 EUR zu bezahlen.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 05.03.2024 abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es für das Berufungsverfahren noch von Interesse ist, ausgeführt:
Zwar greife die vom Beklagten verfasste Bewertung in das (Unternehmens-) Persönlichkeitsrecht sowie das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein, da es sich um eine "kritische Beurteilung" und die "schlechtestmögliche Bewertung" handele. Der Eingriff sei jedoch nicht rechtswidrig. Die Bewertung sei als Meinungsäußerung einzuordnen. Zwar beinhalte die Bewertung auch einen Tatsachenkern, schwerpunktmäßig liege jedoch eine Meinungsäußerung vor, da sie von wertenden Bestandteilen geprägt sei. Im Ergebnis überwiege, da keine Schmähkritik vorliege, die Meinungsfreiheit des Beklagten die Interessen des Klägers. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass der tatsächliche Bestandteil der Bewertung, das vormalige Bestehen einer Mandatsbeziehung, wahr sei. Der Kläger müsse im Rahmen des Betriebs seiner Kanzlei Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen.
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Klageanträge zu 1, zu 2, zu 3 und zu 5 weiterverfolgt und zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:
Das Landgericht Hof habe bei seiner Entscheidung den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG als sonstiges Recht im Sinne des § 823 BGB und darüber hinaus auch den Schutzbereich des durch Art. 12 GG verfassu...