Leitsatz (amtlich)
Die Ein-Sterne-Bewertung nebst Kommentar "nicht empfehlenswert" und "kritisch: Professionalität" zur Leistung eines Rechtsanwalts auf einer Internetplattform stellt ein Werturteil dar, das nach dem objektiven Sinngehalt einen Tatsachenkern aufweist, wonach die Bewertung auf Erfahrungen aus einem mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakt beruht.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 11 O 409/21) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.01.2022, Az. 11 O 409/21, wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart und das Urteil des Senats sind vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Löschungsanspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 EUR, im Übrigen ohne Sicherheitsleistung.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 3.000,00 EUR.
Gründe
I. 1. Der Kläger verlangte in erster Instanz Löschung und Unterlassung einer vom Beklagten im Internet abgegebenen Bewertung über die klägerische Rechtsanwaltskanzlei.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt die Rechtsanwaltskanzlei "S ... & K ..." in M ... Im Internetsuchdienst "Google" ist die klägerische Kanzlei gelistet und wird über "Google My Business" beworben.
Der Beklagte gab unter seinem Klarnamen folgende "Ein-Sterne-Bewertung" über die klägerische Kanzlei bei "Google" ab (Anlage K 2)
[Bild bei Anonymisierung entfernt]
Der Beklagte war nicht Mandant des Klägers, sondern war in einem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart (Az. 9 O 217/20) Beklagter, in dem der Kläger die Klägerseite vertreten hatte. Zugleich verlangte der Beklagte im Zusammenhang mit dem vorgenannten Klageverfahren vom Kläger Auskunft über die Speicherung von Daten, die ihm von dem Prozessgegner als Mandanten zur Verfügung gestellt worden waren. Der Kläger forderte den Beklagten vorgerichtlich erfolglos zur Löschung der Rezension und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein Unterlassungs- und Löschungsanspruch zustehe, weil die beanstandete Rezension in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreife. Sie sei geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken. Wegen des Nichtbestehens von Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien sei im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung das Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs-) Ehre höher zu gewichten als das Interesse des Beklagten an der Kundgabe seiner die Tätigkeit des Klägers betreffenden Wertschätzung.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, seine im Internet-Suchdienst Google verfasste und veröffentlichte herabsetzende Rezension ("Ein-Sterne"-Bewertung nebst Bewertungskommentar) über die Kanzlei S ... & K ..., W ..., 7 ... M ... zu löschen bzw. auf die Löschung dieser Rezension hinzuwirken.
2. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft 11 O 409/21 - 4 bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, ohne zuvor eine eigene Mandatsbeziehung zur Kanzlei S ... & K ..., W ..., 7 ... M ... unterhalten zu haben und ohne diesen Umstand für einen unvoreingenommenen, verständigen Durchschnittsleser erkennbar offenzulegen, innerhalb des Unternehmensprofils der vorgenannten Rechtsanwaltskanzlei beim Internet-Dienst Google My Business Rezensionen ("Google-Rezensionen") in Form von herabsetzenden Bewertungen mit einem Stern verbunden mit der Beantwortung der seitens Google aufgeworfenen Frage "Was gefällt dir nicht an diesem Unternehmen?" durch Auswahl der (Google-)Vorgabe "Nicht professionell" sowie verbunden mit eigenen Berichten des Inhalts "nicht empfehlenswert" oder kerngleichen Inhalts zu verfassen und zu veröffentlichen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 527,00 EUR an vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.03.2021 zu bezahlen.
Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Er ist der Auffassung, dass es sich bei der Bewertung um eine zulässige Meinungsäußerung handele. Es liege keine Schmähkritik oder Beleidigung vor. Auch werde nicht behauptet, in einer Geschäftsbeziehung zum Kläger zu stehen. Die Bewertung beruhe vielmehr auf den eigenen Erfahrungen.
2. Das Landgericht hat der Klage teilweise im Klageantrag Ziffer 1 und 3 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger könne gem. §§ 1004 Abs. 1 (analog), 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG die Löschung der streitgegenständlichen Rezension verlangen. Die Rezension greife in das (Unternehmer-) Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, da der Beklagte sich darin kritisch und herabsetzend über die klägerische Kanzlei äußere. Die Bewertung sei auch rechtswidrig. Sie beinhalte einen unwahren Tatsachenke...