Keine Provisionen für die Vermittlung von Anwaltsmandaten
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Tür zur zulässigen entgeltlichen Vermittlung von Mandaten an Rechtsanwälte weitestgehend geschlossen. Nach der Entscheidung des BGH ist eine Vereinbarung über die entgeltliche Vermittlung von Mandaten an einen Rechtsanwalt durch Dritte grundsätzlich unzulässig und damit unwirksam.
Mandatsvermittlung durch „geblitzt.de“
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um das Internetportal „geblitzt.de“. Die Plattform bietet Betroffenen, die einen Bußgeldbescheid wegen eines Verkehrsverstoßes (Geschwindigkeits-, Abstands-, Handy-, Überhol- oder Vorfahrtsverstoß) erhalten haben, Software-Dienstleistungen an. Die Plattform arbeitet mit Partnerkanzleien zusammen, die die Vorwürfe prüfen, die Erfolgsaussichten eines Einspruchs bewerten und ggf. die gerichtliche Auseinandersetzung führen. Im streitgegenständlichen Zeitraum Dezember 2020 bis Juni 2021 leitete die Plattform die von den Betroffenen eingereichten Unterlagen einschließlich einer auf die jeweilige Kanzlei lautenden und von den so vermittelten Mandanten unterzeichneten Vollmacht an die Partnerkanzleien weiter.
„Lizenzgebühren“ von 235.000 EUR in Rechnung gestellt
Im konkreten Fall hatte die Plattform einer Anwaltskanzlei aufgrund einer zwischen ihr und der Anwaltskanzlei getroffenen Vereinbarung „Lizenzgebühren“ in Höhe von insgesamt 235.056,98 EUR in Rechnung gestellt. Dies entsprach der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, wonach die Kanzlei für rechtsschutzversicherte Betroffene bei Erteilung der Deckungszusage durch den Versicherer 114 EUR und bei Endabrechnung des Mandats weitere 76 EUR zu zahlen hatte. Diesen Betrag machte die Plattform gegenüber der Kanzlei im Klagewege geltend, nachdem die Kanzlei in den Vorjahren für die Vermittlung von ca. 40.000 Bußgeldfällen bereits einen Betrag in Höhe von knapp 4 Mio. EUR gezahlt hatte und nun die Zahlung verweigerte.
Gesetzliches Provisionsverbot
Die Klage blieb über 3 Instanzen erfolglos. Wie bereits die Vorinstanzen lehnte auch der BGH einen Zahlungsanspruch der Klägerin aus der getroffenen vertraglichen Vereinbarung ab. Im Mittelpunkt der Entscheidung des BGH stand die Vorschrift des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO. Danach ist das Gewähren und Annehmen eines Teils des Honorars oder eines sonstigen Vorteils für die Vermittlung eines Auftrags, gleichgültig, ob es sich um einen Rechtsanwalt oder einen Dritten handelt, und gleichgültig, in welcher Form der Auftrag erteilt wird, unzulässig.
Weiter Vorteilsbegriff
Dieses Verbot richtet sich nach der Wertung des BGH sowohl gegen die Anwaltschaft selbst als auch gegen Dritte, die Mandate vermitteln. Die Vorschrift verbiete die Annahme jeglicher Vorteile. Der Begriff des Vorteils sei weit zu verstehen, da er einen Wettbewerb unter Rechtsanwälten um den Ankauf von Mandaten verhindern solle. Der Anwaltsberuf sei kein Gewerbe, in dem Mandate gekauft und verkauft würden. Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt werde, dürfe nach ständiger Rechtsprechung den Vermittler dafür nicht belohnen (BGH, Urteil v. 20.6.2016, AnwZ 26/14).
Abgrenzung zu erlaubter Werbung und Akquise
Der BGH betonte, dass sich dieses Verbot nur auf Provisionszahlungen für konkret vermittelte Mandate beziehe, nicht aber auf die den Rechtsanwälten grundsätzlich erlaubte Werbung und Akquise von Mandanten. In diesem Zusammenhang hatte bereits das BVerfG entschieden, dass es nicht gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstößt, wenn Unternehmen Rechtsanwälten lediglich eine Plattform zur Verfügung stellen, über die diese ihrerseits Mandanten akquirieren und ihre Dienstleistungen anbieten (BVerfG, Beschluss v. 19.2.2008,1 BvR 1886/08).
Klageforderung betrifft Vermittlung konkreter Mandate
Im konkreten Fall beschränkte sich die Tätigkeit der Klägerin nach der Bewertung des BGH nicht auf die Leistungen herkömmlicher Werbemedien. Vielmehr habe die Klägerin der Beklagten konkrete Mandate unter Übersendung einer bereits auf die Beklagte lautenden Vollmacht vermittelt. Auf diese Vermittlungstätigkeit habe sich die konkret beanspruchte Vergütung bezogen. Darin liege ein Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO.
Kein Anspruch aus Bereicherungsrecht
Ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung ergibt sich nach der Entscheidung des BGH auch nicht aus § 812 ff BGB. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nach der Entscheidung des BGH auf das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 812 ff BGB im konkreten Fall nicht an, da hier die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB eingreift. Da beide Parteien durch die getroffene Vereinbarung bewusst gegen das Provisionsabgabeverbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoßen hätten, scheiden bereicherungsrechtliche Ansprüche aus. Diese in § 817 Satz 2 BGB angeordnete Rechtsfolge trage dem Umstand Rechnung, dass eine Abwicklung nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften demjenigen, der eine unerlaubte Geschäftsbesorgung vornehme, nicht auf Umwegen doch noch zugutekommen solle.
Kein Schadensersatzanspruch, da gesetzliches Verbot bekannt
Schließlich verneinte der BGH auch einen Anspruch der Klägerin aus schadensrechtlichen Gesichtspunkten. Der BGH zog einen Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c) in Betracht. Denkbar wäre nach den Erwägungen des Senats eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten, weil diese die Klägerin nicht auf das gesetzliche Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO hingewiesen habe. Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht jedoch nicht verletzt, weil die Klägerin das Wirksamkeitshindernis gekannt und sich nach ihrem eigenen Vortrag bei der Entwicklung ihres Geschäftsmodells intensiv damit auseinandergesetzt habe. Aufgrund dessen habe die Klägerin gewusst oder zumindest wissen müssen, dass die Vermittlung konkreter Mandate gegen Entgelt in der von ihr praktizierten Weise rechtlich unzulässig sei.
Revision erfolglos
Insgesamt sei der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von „Lizenzgebühren“ nach der Entscheidung des BGH unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben. Die Vorinstanzen haben die Klage daher zu Recht abgewiesen.
(BGH, Urteil v. 18.4.2024, IXZR 89/23)
Hintergrund:
Die Entscheidung hat für die Vermittler anwaltlicher Dienstleistungen weitreichende Bedeutung. Für die Vermittlung von Mandaten dürfen Dienstleister grundsätzlich keine Provisionen in Rechnung stellen. In Rechnung stellen dürfen sie lediglich ein Entgelt für die Kosten ihrer Dienstleistungen, z. B. für den Betrieb einer Homepage oder für die Zurverfügungstellung oder Entwicklung von Software, soweit diese sich nicht auf konkrete Mandate beziehen, sondern allgemein auf die Zurverfügungstellung dieser Leistungen.
Abgrenzung Marketing / Mandatsvermittlung
Dass die Abgrenzung nicht immer einfach ist, zeigt eine Entscheidung des OLG München. Danach verstößt eine von Rechtsanwälten in Auftrag gegebene Marketingkampagne nicht gegen das Provisionsverbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO, wenn ein Marketingunternehmen sich lediglich zur Akquise von Interessenten und nicht zur Vermittlung konkreter Mandate verpflichtet hat. Eine Anwaltskanzlei hatte ein Werbeunternehmen zu einer Marketingaktion in Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal beauftragt. Die vereinbarte Vergütung war aufgesplittet in einen fixen Betrag und einen nach der Zahl der vermittelten Interessenten variablen Betrag.
Vermittlung von „Interessenten“ kann erlaubt sein
Nachdem das erstinstanzlich zuständige LG die nach Abschluss der Werbeaktion eingereichte Klage auf Zahlung der vereinbarten Vergütung wegen Verstoßes gegen das Provisionsverbot abgewiesen hatte, gab das OLG der Zahlungsklage des Werbeunternehmens statt. Im Zentrum der Vereinbarung habe die Vermittlung von Interessenten, nicht die Vermittlung konkreter Mandate gestanden. Daran ändere auch der vereinbarte, unter Berücksichtigung der Zahl der vermittelten Interessenten variable Vergütungsteil nichts. Für das Entstehen der Vergütung sei nach der getroffenen Vereinbarung nämlich nicht Voraussetzung gewesen, dass die Interessenten tatsächlich ein Mandat erteilen (OLG München, Urteil v. 13.10.2021, 7 U 5998/20).
Mandatsvermittlung unter Kollegen
Auch Anwälte untereinander können in der Praxis leicht mit dem Provisionsverbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO in Konflikt geraten. Dies zeigt eine Entscheidung des OLG Düsseldorf. Zwei Anwälte hatten eine „Kooperationsvereinbarung“ geschlossen, wonach sie die Mandatsbearbeitung bei Kapitalanleger-Musterverfahren in außergerichtliche und gerichtliche Mandate aufteilen wollten. Ein Anwalt sollte die Kapitalanlegermandate akquirieren, außergerichtlich bearbeiten und ggf. zu einer vergleichsweisen Erledigung führen. Wurde keine außergerichtliche Einigung erzielt, so sollte der andere die gerichtliche Bearbeitung übernehmen und für jedes Mandat festgelegte Honoraranteile zuzüglich Fallpauschalen an den späteren Kläger zahlen. Als Gegenleistung sah die Kooperationsvereinbarung vor, dass der vorgerichtlich tätige Anwalt den gerichtlich tätigen Anwalt durch diverse Zuarbeiten und Terminvertretungen unterstützen sollte.
Verstoß gegen Provisionsverbot
Diese Art der Gebührenteilung bewertete das OLG Düsseldorf als Verstoß gegen das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO und die Kooperationsvereinbarung damit als nichtig (OLG Düsseldorf, Urteil v. 11.1.2022, I – 24 U 184/199). In seiner Entscheidung ging das OLG ausführlich auf die nach § 49b Abs. 3 Satz 2 BRAO eröffnete Möglichkeit ein, dass ein Anwalt im Rahmen der Vermittlung oder Weitergabe eines Mandats eine über den Rahmen der Nr. 3400 VV RVG hinausgehende Tätigkeit eines anderen Anwalts angemessen honoriert, z. B., wenn dieser an der Bearbeitung des Mandats mitwirkt. Die in der Kooperationsvereinbarung vorgesehene Unterstützung durch diverse Zuarbeiten und Terminvertretungen war aber tatsächlich nie erfolgt. Deshalb bewertete das Gericht die Vereinbarung als unwirksam gemäß § 134 BGB.
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