Können häufige Blicke der Nachbarn über den Grenzzaun einem Grundstückseigentümer die Freude an seinem Eigentum vermiesen? Muss ein Grundstückseigentümer die Blicke seiner trampolinspringenden Nachbarn über den Grenzzaun bzw. die trennende Hecke hinweg ertragen? Mit diesen Fragen hatte sich das LG Potsdam in einem leicht skurrilen Nachbarrechtsstreit zu befassen.
Beim Trampolinspringen mal eben über die Hecke geschaut
Ein Grundstückseigentümer hatte für sich und seine Familie in seinem zum Grundstück gehörenden Garten eine Trampolinanlage errichtet. Dieses wurde von den Familienmitgliedern häufig und gerne genutzt. Beim Springen erreichten die Nutzer jeweils kurzzeitig eine Höhe, die es ihnen erlaubte, über den zwischen den Grundstücken befindlichen Grenzzaun und die damit verbundene 1,80 m hohe Hecke Blicke auf das Nachbargrundstück zu riskieren.
Nachbarrechtliche Klage auf Unterlassung
Durch die aus ihrer Sicht zu neugierigen Blicke der Trampolinspringer fühlten sich die Eigentümer des Nachbargrundstücks im ungestörten Gebrauch ihres Eigentums beeinträchtigt. Sie verklagten die trampolinspringenden Eigentümer des Nachbargrundstücks auf Unterlassung und Entfernung des Trampolins. Hilfsweise beantragten sie, die Beklagten zu verurteilen auf dem Trampolin keine Sprünge auszuführen, die über die Höhe der 1,80 m hohen Einfriedung hinausgehen.
Persönlichkeitsrecht gewährt Achtung des privaten Lebensbereichs
Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste OLG prüfte einen möglichen Anspruch der Kläger auf Unterlassung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Entfaltung in all ihren Ausprägungen. Dieser Schutz umfasse auch die Abwehr von Einblicken und unerwünschter Einflussnahme Dritter in den intimen und privaten Sozialbereich. Dies gelte auch für den räumlichen Bereich eines Wohngrundstücks.
Abwägung der wechselseitigen Persönlichkeitsrechte
Dem Persönlichkeitsrecht der Kläger stehe allerdings das ebenfalls geschützte Persönlichkeitsrecht der Beklagten gegenüber, das diesen ebenfalls ein Recht auf freie Entfaltung und Betätigung in ihrem Wohneigentum gewährleiste. Eine sportliche Betätigung im privaten Garten durch die Benutzung eines Trampolins gehöre nach der geltenden Verkehrsauffassung zu diesem Recht auf freie Entfaltung. Deshalb seien im konkreten Fall die wechselseitigen Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen.
Abwägung zugunsten der Trampolinspringer
Diese Abwägung geht nach der Entscheidung des OLG im konkreten Fall zugunsten der trampolinspringenden Beklagten aus. Wie zuvor schon das LG vertrat auch der Senat die Auffassung, dass gelegentliche Blicke von Trampolinspringern über den Grenzzaun hinweg die Eigentumsrechte der Kläger nicht wesentlich beeinträchtigen. Die Nutzung eines Trampolins im Garten sei nicht unüblich, sondern sozialadäquat. Ein Verbot schränke die Persönlichkeitsrechte der Beklagten in unangemessener Weise ein, während die Beeinträchtigung der Privatsphäre der Kläger durch die Nutzung des Trampolins nur von geringer Intensität sei.
Keine gezielte Beeinträchtigung der Privatsphäre der Kläger
Nach der Bewertung des OLG hatten die Kläger auch keinerlei Umstände dargetan, die den Schluss zuließen, die Beklagten hätten die Errichtung des Trampolins gezielt veranlasst, um private Blicke über den Zaun werfen zu können. Die Nutzung des Trampolins sei nicht darauf gerichtet, die Privatsphäre der Kläger zu stören. Auch dies spreche gegen die Anordnung eines Verbots.
Mindestgrenzabstand nicht eingehalten
Allerdings stellte das OLG fest, dass das Trampolin zu nah am Nachbargrundstück errichtet worden war. Die gesamte Konstruktion des Trampolins überrage in Teilen den 1,80 m hohen Grenzzaun um 1 m. Hier komme das „Brandenburgische Nachbarrechtsgesetz“ (BbgNRG) ins Spiel, wonach mit dem Grundstück nicht fest verbundene Anlagen, die über 1,50 m hoch sind, gesetzlich geregelte Grenzabstände einzuhalten hätten. Die Konstruktion des Trampolins habe auch Einfluss auf die Ästhetik im Bereich der Grundstücksgrenze. Gemäß § 27 BbgNRG belaufe sich im konkreten Fall der erforderliche Mindestabstand auf 1,80 m.
Trampolin muss umgesetzt werden
Da der gesetzliche Mindestgrenzabstand unterschritten war, verurteilte das OLG die Beklagten gemäß § 1004 BGB in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 2 BbgNRG auf Einhaltung des Mindestabstands von 1,80m. Bei Einhaltung des Mindestabstands seien - so der Senat - wegen der größeren Entfernung wahrscheinlich auch die Blicke der Trampolinspringer auf das Nachbargrundstück weniger störend. Den Anteil des Obsiegens der Kläger bewertete der Senat bei der Kostenverteilung mit 20 %, d.h. die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 80 % den Klägern auferlegt.
(OLG Brandenburg, Urteil v. 19.9.2024, 5 U 140/23)