Urteil: Bewertungsportale und negative Tatsachenbehauptungen

Wer in einem Online-Bewertungsportal negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, muss diese Tatsachen auch beweisen können. Andernfalls besteht ein Anspruch des Bewerteten auf Unterlassung.

Der Schutz der freien Meinungsäußerung im Netz geht – gedeckt von der Rechtsprechung – sehr weit. Erst wenn die Strafbarkeitsgrenze zur Beleidigung, Verunglimpfung oder Bedrohung überschritten ist, besteht ein Anspruch auf Unterlassung und gegebenenfalls auf Schmerzensgeld.

Meinungsfreiheit bei Bewertungen weit gefasst

Von der Meinungsfreiheit nicht geschützt sind wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen. Dies gilt auch für Bewertungsportale, in denen User ihrem Ärger über schlechte Leistungen von Warenanbietern und Dienstleistern Luft machen können (Reiseportale, Ärzteportale u.ä.). Auch hier ist vieles erlaubt, es sei denn es handelt sich um die wahrheitswidrige Darstellung von Tatsachen. Bewertungen dürfen grundsätzlich auch emotional geprägt und müssen nicht sachlich formuliert sein (BGH, Urteil v. 28.9.2022, VIII ZR 319/20).

Vorsicht bei eindeutigen Tatsachenbehauptungen

Häufig verschwimmt die Grenze zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung. Auch hier urteilt die Rechtsprechung regelmäßig großzügig im Sinne des Schutzes der verfassungsrechtlich durch Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit (OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 12.2.2022, 9 U 134/21). Mitunter ist die Einordnung einer Behauptung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung aber auch eindeutig. Einen solchen Fall hatte das LG Frankenthal zu entscheiden.

Qualitätsbewertung mit nur einem Stern

Ein User hatte ein Umzugsunternehmen aus Ludwigshafen mit der Durchführung seines Umzuges beauftragt. Nach Beendigung der Arbeiten bewertete er die Qualität der Auftragsdurchführung durch das Umzugsunternehmen auf einer Bewertungsplattform mit nur einem von fünf möglichen Sternen. In dem zugehörigen Text behauptete er, Mitarbeiter des Unternehmens hätten beim Transport eines seiner Möbelstücke beschädigt. Trotz der offensichtlichen Beschädigung habe sich niemand um die Behebung des Schadens gekümmert.

User auf Unterlassung verklagt

Das Unternehmen verklagte den User auf Unterlassung dieser Behauptung. Das Umzugsunternehmen empfand die Darstellung als geschäftsschädigend. Von der Beschädigung eines Möbelstücks sei während des gesamten Umzugs nichts bekannt geworden. Der Auftraggeber habe sich gegenüber dem Unternehmen insoweit auch zu keinem Zeitpunkt beschwert. Der Auftrag sei beanstandungsfrei durchgeführt worden. Die Behauptung der Beschädigung eines Möbelstücks sei objektiv unwahr.

Tatsachenbehauptungen sind nicht Gegenstand der Meinungsfreiheit

Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Dem User war es nicht gelungen, Beweis für die von ihm behauptete Beschädigung des Möbelstücks zu erbringen. Bei der Behauptung der Beschädigung des Möbelstücks handelt es sich nach der Bewertung des Gerichts um eine reine Tatsachenbehauptung, die vom Schutz der Meinungsfreiheit nicht erfasst werde. Dies gelte auch für Tatsachenbehauptungen im Rahmen der Gesamtbewertung einer Dienstleistung, die als Gesamtheit dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG unterfalle. Nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit würden aber die isolierbaren Teile der Leistungsbewertung erfasst, die eindeutig als Tatsachendarstellung zu qualifizieren seien.

Tatsachenbehauptungen müssen beweisbar sein

Die Behauptung der Beschädigung eines Möbelstücks betreffe eine nachprüfbare Tatsache. Deren Richtigkeit müsse der User im Bestreitensfall beweisen, andernfalls habe das Unternehmen einen Anspruch auf Unterlassung. Die Behauptung der Beschädigung von Umzugsgut im Rahmen der Durchführung eines Umzugsauftrags sei eindeutig geschäftsschädigend. Insoweit gehe das verfassungsrechtlich gemäß Art. 14 GG geschützte Recht des Unternehmens am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dem Recht auf freie Meinungsäußerung vor.

Klage auf Unterlassung erfolgreich

Im Ergebnis hatte die Klage auf Unterlassung der unrichtigen Tatsachenbehauptung Erfolg. Das Urteil ist rechtskräftig.


(LG Frankenthal, Urteil v. 22.5.2023, 6 O 18/23)

Hintergrund:

Die Wirkung von Bewertungsportalen auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen und Dienstleistern ist nicht zu unterschätzen. Unternehmen haben nicht selten mit negativen Bewertungen zu kämpfen, deren tatsächliche Grundlage zumindest zweifelhaft ist. So häufen sich in letzter Zeit die Fälle, in denen angebliche Kunden Unternehmen bewerten, obwohl sie keine Leistungen des Unternehmens in Anspruch genommen hatten. Zwar besteht in diesen Fällen grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch gegen den Bewerter, jedoch ist die Identität des Bewerters häufig nicht zu ermitteln.

Bei fehlendem Gästekontakt Löschungsanspruch gegen das Bewertungsportal

Zu diesem Problem hat der BGH im vergangenen Jahr eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen. Ein Hotel hatte in einem Reiseportal eine negative Bewertung erhalten. Der Hotelbetreiber hatte begründete Zweifel, ob der Bewerter überhaupt Gast des Hotels gewesen ist und verlangte vom Reiseportal die Löschung der Bewertung. Der BGH gab dem Hotelbetreiber Recht: Im Falle der Behauptung eines fehlenden Gästekontakts treffe das Bewertungsportal eine sekundäre Darlegungslast. Das Portal müsse sich in einem solchen Fall um eine Abklärung der Berechtigung der Bewertung bemühen. Komme es dieser Obliegenheit nicht nach, sei der fehlende Gästekontakt als wahr zu unterstellen. Damit sei die Bewertung rechtswidrig, das Portal müsse die Bewertung löschen (BGH, Urteil v. 9.8.2022, VI ZR 1244/20).


Das könnte Sie auch interessieren:

LG Hanau: Handy-Aufnahmen von Polizisten mit aktivierter Body-Cam sind erlaubt

Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google

Geld zurück bei Verlusten im Online-Spielcasino


Schlagworte zum Thema:  IT-Recht, Urteil, Bewertung