Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahresarbeitsentgelt. Krankenversicherung. versicherungsfrei. Lohnsteuerbescheinigungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die JAEG nach § 6 Abs. 6 oder Abs. 7 SGB V übersteigt, in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei. Gleiches gilt nach § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI akzessorisch in der sozialen Pflegeversicherung.
2. Die Beurteilung erfolgt anhand der Lohnsteuerbescheinigung. Es steht dabei nicht im freien Belieben des Antragstellers, etwaige zusätzliche Gehaltsbestandteile in die Lohnsteuerbescheinigungen bzw. die Meldungen zur Sozialversicherung aufzunehmen oder dies zu unterlassen.
Normenkette
SGB V §§ 6, 5 Abs. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.01.2021 geändert.
Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.11.2019 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des einstweiligen Rechtschutzverfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.063,50 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.11.2019 ist nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).
1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 4; Beschl. v. 12.02.2020 - L 8 BA 157/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen, da dessen Erfolg nicht wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin erlassene Bescheid vom 07.11.2019, mit dem sie für die Zeit vom 01.01.2016 bis 31.01.2016 sowie vom 01.10.2016 bis 31.12.2018 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 20.254,01 Euro wegen Beschäftigung der Tochter des Antragstellers, Frau P (im Folgenden: P), fordert, im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
Rechtsgrundlage des aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheides und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide erlassen. § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insowei...