Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Versicherungspflicht. Telefoninterviewer. Freier-Mitarbeiter-Vertrag. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Telefoninterviewer, die über einen Freier-Mitarbeiter-Vertrag, der lediglich bezüglich des Beginns des Vertragsverhältnisses und der persönlichen Daten der jeweiligen Mitarbeiter individuelle Eintragungen aufweist, bei einem Dienstleistungsunternehmen beschäftigt sind, welches Interviewaufträge für Markt- und Sozialforschungsunternehmen durchführt, unterliegen in ihrer Tätigkeit dem Grunde nach der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. September 2004 geändert und die Klage betreffend die Statusfeststellung für die Beigeladenen C und G abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 6.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen von Statusprüfungsverfahren gemäß § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) streitig, ob für die Klägerin tätige Telefoninterviewer - in der Berufung ist das Verfahren auf die Beigeladenen O C und Q G beschränkt und bzgl. der übrigen Mitarbeiter der Klägerin ein Unterwerfungsvergleich geschlossen worden - versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt waren.
Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen, das Interviewaufträge für Markt- und Sozialforschungsunternehmen wie die Fa. g Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analyse mbH in E (im Folgenden: g) durchführt. Ihren Auftraggebern vermittelt die Klägerin entsprechend dem jeweils von diesen für den konkreten Einzelfall vorgegebenen Anforderungsprofil Studenten, Schüler, Rentner bzw. Pensionäre und Hausfrauen als Telefoninterviewer. Diese werden u. a. in den Bereichen Marketingforschung, Verbraucheranalysen, Kundenzufriedenheitsforschung, Werbeforschung, Werbekontrollen, Markt- und Werbetests, Handelsbefragungen, Mitarbeiterbefragungen, Standortanalysen, Imageforschungen und -analysen, Sozialforschung, statische Analysen wie Mediaforschung und Erforschung von Kauf- und Informationsverhalten eingesetzt. Art, Inhalt und Umfang der Befragungen werden ebenso wie die Fragestellungen selbst und die einzusetzenden Arbeitsmittel von dem jeweiligen Auftraggeber der Klägerin - methodisch bedingt, da bei Abweichungen keine repräsentativen und damit verwertbaren Daten erhoben würden - bis ins letzte Detail vorgegeben. Diese kontrollieren auch die Arbeitsergebnisse (z. B. durch heimliches Zuschalten in Gespräche zwischen dem Interviewer und dem zu Interviewenden oder durch Plausibilitätskontrollen). Sofern eine Befragung durch Telefoninterviews durchzuführen ist - dies stellt das Haupttätigkeitsfeld dar -, erfolgt die Telefonanwahl und die Zuweisung an den jeweiligen Befrager, ebenfalls zwingend methodisch bedingt, computergestützt automatisch nach dem Zufallsprinzip, d. h. die Auswahl, wer interviewt wird, trifft der Computer. Die von dem Befrager erfassten Daten sind unmittelbar in einen Großrechner des Auftraggebers einzugeben. Die Eingaben setzen eine entsprechende mehrstündige - unbezahlte - Schulung (Bedienen des PC, Kennenlernen der Software, Kommunikationstechniken) durch den jeweiligen Auftraggeber der Klägerin und die Kenntnis eines Zugangspasswortes voraus.
Unter anderem war die Beigeladene zu 1., die damalige Auszubildende O C, vom 16.05.2001 bis zum 30.04.2002 und ist der Student der Rechtswissenschaften Q G, der Beigeladene zu 2., seit dem 21.01.2002 für die Klägerin tätig. Ihren Einsätzen lag bzw. liegt - wie bei allen anderen Telefoninterviewern - ein sog. "Freier-Mitarbeiter-Vertrag" zugrunde, der lediglich bezüglich des Beginns des Vertragsverhältnisses und der persönlichen Daten der jeweiligen Mitarbeiter individuelle Eintragungen aufweist. Unter anderem enthält der Vertrag folgende Regelungen:
"Präambel
Der Freie Mitarbeiter verfügt über besondere Kenntnisse und Erfahrungen bei der Durchführung von Meinungsbefragungen und Datenerhebungen, insbesondere im Rahmen von Telefon-Interviews. Die Parteien sind sich bewusst, dass die beabsichtigte Tätigkeit möglicherweise auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt werden könnte. In Übereinstimmung mit den tatsächlichen Verhältnissen haben die Parteien jedoch bewusst davon keinen Gebrauch gemacht, damit der Freie Mitarbeiter auch anderen Tätigkeiten für weitere Auftraggeber uneingeschränkt nachgehen und Ort, Zeit und Ablauf seiner Tätigkeit als selbständiger Unternehmer weitestgehend selbst frei bestimmen kann.
§ 1 Vertragsgegenstand Abs. 1: Der Freie Mitarbeiter übernimmt ab dem ... für O. die Durchführung von Datenerhebungen für diverse Auftraggeber. Abs. 2: Die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung gemäß vorstehendem Abs. 1 nach Art, Ziel und Umfang ergeben sich aus den Festlegungen der jeweiligen Auftraggeber, für die O. als Dienstleister tätig ...