Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Berechnung. Einkommen. Wechsel der Lohnsteuerklasse vor der Geburt des Kindes
Orientierungssatz
Die Vorschriften des BEEG schließen einen Wechsel in eine - von der vorläufigen Steuerlast her gesehen - ungünstigere Steuerklasse zur Erzielung höheren Elterngelds nicht aus. Der geringere Lohnsteuervorabzug beim Elterngeldberechtigten infolge eines solchen Steuerklassenwechsels erhöht vielmehr die Bemessungsgrundlage des Elterngelds.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.09.2008 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines im Bemessungszeitraum für die Elterngeldberechnung vorgenommenen Steuerklassenwechsels.
Die 1978 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter des am 00.00.2007 geborenen U. Bis zur Geburt von U war die Klägerin als Bankkauffrau beschäftigt. Vom 12.07. bis 26.10.2007 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld. Ihr Arbeitgeber zahlte ihr dazu einen Zuschuss.
Das regelmäßige monatliche Bruttoentgelt der Klägerin bis zur Geburt ihres Sohnes betrug ca. 2.200,00 EUR, das ihres Ehemannes ca. 2.400,00 EUR. Bis Januar 2007 hatten die Eheleute die Steuerklassenkombination IV/IV. Ab Februar wählten sie für die Klägerin die Steuerklasse III, für den Ehemann die Steuerklasse V. Dadurch erhöhte sich das Nettoeinkommen der Klägerin um rd. 270,00 Euro. Die Eheleute zahlten aber nunmehr zusammen monatlich ca. 100,00 EUR Lohnsteuer mehr als zuvor.
Auf den Antrag des Ehemannes der Klägerin bewilligte das Versorgungsamt B diesem durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.10.2007 Elterngeld für den ersten und zweiten Lebensmonat des Kindes in Höhe von monatlich 954,00 EUR. Die Leistung wurde nach seinem Einkommen unter Zugrundelegung der Steuerklasse IV - fiktiv auch für die Monate Februar bis Juli 2007 - berechnet worden.
Am 25.09.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes. Auf telefonische Nachfrage teilte ihr Ehemann dem Versorgungsamt mit, der Steuerklassenwechsel sei erfolgt, um eine höheres Elterngeld zu erzielen.
Das Versorgungsamt B bewilligte der Klägerin daraufhin durch Bescheid vom 17.10.2007 Elterngeld für den beantragten Zeitraum in Höhe von insgesamt 8.568,95 EUR. Dabei legte es der Einkommensberechnung auch für die Monate Februar bis Juli 2007 fiktiv die Steuerklasse IV zugrunde. Das Versorgungsamt begründete dies damit, den Wechsel der Klägerin in die Steuerklasse III ab Februar 2007 habe es nicht berücksichtigen können, da er nur zur Erzielung eines höheren Elterngeldes vorgenommen worden sei.
Den dagegen am 31.10.2007 eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 22.11.2007 zurück. Zur Begründung verwies sie auf Ziffer 2.7.3.3. der Richtlinien zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Ein Steuerklassenwechsel, der erkennbar allein die Funktion habe, den Anspruch auf Elterngeld zu erhöhen, verfolge kein schutzwürdiges Interesse desjenigen, der von dieser steuerrechtlichen Gestaltungsoption Gebrauch mache. Er sei deshalb grundsätzlich für das Elterngeld unbeachtlich.
Dagegen hat die Klägerin am 04.12.2007 Klage erhoben und sich darauf berufen, sie haben einen Anspruch auf Elterngeld unter Berücksichtigung des Wechsels in die Steuerklasse III, die für die Berechnung des Elterngeldes günstiger sei als die Steuerklasse IV.
Die Beklagte ist dem unter Berufung auf die geltende Erlasslage entgegen getreten. Der Steuerklassenwechsel sei missbräuchlich und unbeachtlich.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt, der Klägerin unter Änderung der angefochtenen Bescheide weiteres Elterngeld in Höhe von 808,05 Euro zu zahlen.
Nach § 2 Abs. 1 und 7 BEEG sei bei der Bestimmung des für das das Elterngeld maßgeblichen Einkommens auf die tatsächlich abgeführte, nicht auf die steuerrechtlich zweckmäßige Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle abzustellen. Anders als im SGB III bei der Bestimmung des dem Arbeitslosengelds zugrunde zu legenden Leistungsentgelts (vgl. § 133 Abs. 2 und 3 SGB II) habe der Gesetzgeber des BEEG für die Bemessung des Elterngeldes keinerlei Regelungen und Einschränkungen in Bezug auf einen Steuerklassenwechsel getroffen. Daher sei auch ein im Bemessungszeitraum vorgenommener Steuerklassenwechsel bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Der Missbrauchsvorwurf des Beklagten finde im BEEG keine Stütze. Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen "Richtlinien zum BEEG" und die darin zitierten Urteile des Bundesarbeitsgerichts stützten den Missbrauchsvorwurf ebenfalls nicht, zumal sich die Rechtsprechung des BAG insoweit geändert habe.
Gerade in Bezug auf das Elterngeld sei ein zielgerichtet zur Erhöhung der Leistung vorgenommener Steuerklassenwechsel auch deshalb nicht re...