Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Berechnung. Einkommen. Wechsel der Lohnsteuerklasse vor der Geburt des Kindes
Orientierungssatz
Die Vorschriften des BEEG schließen einen Wechsel in eine - von der vorläufigen Steuerlast her gesehen - ungünstigere Steuerklasse zur Erzielung höheren Elterngelds nicht aus. Der geringere Lohnsteuervorabzug beim Elterngeldberechtigten infolge eines solchen Steuerklassenwechsels erhöht vielmehr die Bemessungsgrundlage des Elterngelds.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.08.2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes, insbesondere darum, ob der Wechsel der Klägerin von der Lohnsteuerklasse V in die Lohnsteuerklasse III rechtsmissbräuchlich und damit nicht zu berücksichtigen war.
Die 1977 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter des am 00.00.2007 geborenen K G. Bis zur Geburt von K war die Klägerin mit 37,5 Wochenstunden als Personalsachbearbeiterin beschäftigt. Vom 20.07. bis 26.10.2007 bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld und dazu einen Zuschuß ihres Arbeitgebers. Seit dem 27.10.2007 befindet sie sich in Elternzeit.
Das regelmäßige monatliche Bruttoentgelt der Klägerin bis zur Geburt ihres Sohnes betrug ca. 3000,00 EUR. Bis Januar 2007 hatte die Klägerin die Lohnsteuersteuerklasse V, ihr Ehemann die Klasse III. Ab Februar 2007 wählten sie für die Klägerin die Steuerklasse III, für ihren Ehemann die Steuerklasse V. In diesem Zeitpunkt belief sich das monatliche Bruttoentgelt ihres Ehemannes auf rund 5740 EUR. Durch den Steuerklassenwechsel erhöhte sich das Nettoeinkommen der Klägerin um rund 820,00 Euro.
Am 27.09.2007 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt H die Gewährung von Elterngeld mit 24-monatiger Auszahlungsmodalität nach der Geburt ihres Kindes.
Mit Bescheid vom 07.12.2007 wurde der Antrag bewilligt und ein Elterngeld für die Zeit vom 20.08.2007 bis 19.10.2007 in Höhe von 0 Euro, in der Zeit vom 20.10.2007 bis 19.11.2007 in Höhe von 338,31 Euro, in der Zeit vom 20.11.2007 bis 19.08.2008 in Höhe von 436,98 Euro, in der Zeit vom 20.08.2008 bis 19.09.2008 in Höhe von 338,30 Euro und in der Zeit vom 20.09.2008 bis 19.06.2009 in Höhe 436,97 Euro berechnet. Bei der Berechnung hatte die Beklagte den Lohnsteuerklassenwechsel wegen Missbrauchs nicht beachtet.
Mit ihrem dagegen rechtzeitig erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Steuerklassenwechsel sei nicht rechtsmissbräuchlich, sondern sachlich gerechtfertigt, weil sie dadurch nach der Geburt ihres Kindes höhere staatliche Leistungen beziehen könne.
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Bescheid vom 08.02.2008 zurück. Ein Steuerklassenwechsel allein zum Bezug höheren Elterngelds verfolge kein schützenswertes Ziel, sei rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass zwar ihr Ehemann ein deutlich höheres Einkommen als sie habe, der Steuerklassenwechsel jedoch nicht rechtsmissbräuchlich sei. Aus dem Elterngeldgesetz gehe nicht hervor, dass ein Steuerklassenwechsel, auch mit dem Ziel ein höheres Elterngeld zu erlangen, unbeachtlich sei.
Der Beklagte hat dem entgegengehalten, dass der Steuerklassenwechsel rechtsmissbräuchlich und damit bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen sei.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, das Elterngeld der Klägerin unter Berücksichtigung des vorgenommenen Steuerklassenwechsels neu zu berechnen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Bundeselterngeld, berechnet auf der Grundlage der von ihr tatsächlich erzielten Nettoeinkünfte. Der Beklagte haben entgegen § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 BEEG der Elterngeldberechnung nicht die "abgeführte Lohnsteuer" zu Grunde gelegt, sondern ein fiktives durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse V angesetzt. Dabei habe er rechtswidrig den Wechsel der Lohnsteuerklasse im Februar 2007 unbeachtet gelassen.
Im Bundeselterngesetz finde sich keine Einschränkung hinsichtlich des Lohnsteuerklassenwechsels; vielmehr nehme es durchweg Bezug auf den Einkommensbegriff aus dem EStG. Hätte der Gesetzgeber einen Lohnsteuerklassenwechsel als unbeachtlich ansehen wollen, so hätte er dies ohne Weiteres ins Gesetz aufnehmen können, wie er das z.B. in § 133 Abs. 3 SGB III auch getan habe.
Die von der Beklagten zitierten Richtlinien des Bundesfamilienministeriums seien als Verwaltungsvorschriften keine geeignete Rechtsgrundlage für den von der Beklagten vorgenommenen Eingriff in die Rechte der Klägerin.
Ebenso wenig habe die Klägerin sich durch den Lohnsteuerwechsel rechtsmissbräuchlich verhalten, wie eine Abwägung zwischen dem Schutzzweck des Elterngeldes und den legalen Mitteln, dieses auszuschöpfen, ergebe. Der Wechsel einer Lohnsteuer...