Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Beitragspflicht zur Sozialversicherung. Haftung des Auftraggebers für einen Nachunternehmer. Haftungsfreistellung durch Vorlage einer qualifizierten Unbedenklichkeitsbescheinigung. Notwendigkeit der Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung bei Auftragserteilung

 

Orientierungssatz

Die Haftung eines Auftraggebers für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch einen von ihm eingesetzten Nachunternehmer entfällt schon dann, wenn dem Auftraggeber durch den Nachunternehmer eine vom Unfallversicherungsträger ausgestellte qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt wird. Dabei genügt es, dass die Bescheinigung innerhalb des Zeitraums der Auftragserfüllung vorliegt. Eine Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung bereits bei Auftragserteilung ist für den Eintritt des Haftungsauschlusses dagegen nicht Voraussetzung.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.02.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides.

Mit Datum vom 11.04.2011 erließ die Beklagte einen Haftungsbescheid nach § 150 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) i.V.m. § 28e Abs. 3a bis f Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gegenüber der Klägerin als Auftraggeberin des Unternehmers H, der seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten nicht nachgekommen war. Die Beklagte schätzte die Arbeitsentgelte i.H.v. 60 v.H. der Nettoauftragssumme, wobei sie von einem Netto-Auftragsvolumen von 232.227,97 EUR ausging. Daraus errechnete sie einen Haftungsbetrag von insgesamt 10.240,74 EUR. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, dass sie vor dem Hintergrund der von ihr eingeholten Informationen, insbesondere der von der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom 30.07.2008, 26.09.2008 und 05.01.2009 ohne Verschulden habe davon ausgehen können, dass ihr Nachunternehmer seine Zahlungsverpflichtungen erfülle. Sie habe ihren Nachunternehmer vertraglich auf die Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher Beitragspflichten verpflichtet und diese durch die verpflichtende Vorlage entsprechender Bescheinigungen überprüft. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2011, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat am 22.08.2011 Klage erhoben und im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt. Die Beklagte ist auf ihrem Standpunkt verblieben.

Mit Urteil vom 24.02.2015 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen die am 01.04.2015 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 28.04.2015 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Die Klägerin könne sich nicht erfolgreich exkulpieren. Sie sei zu dem nach der Gesetzesbegründung maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahl des Nachunternehmers, nämlich des Vertragsschlusses nicht im Besitz einer gültigen Unbedenklichkeitsbescheinigung gewesen und die später von ihr vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen hätten auch nicht für den gesamten Zeitraum der Arbeiten, nämlich vom 16.07.2008 bis 21.03.2009 Gültigkeit gehabt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch keine Prüfung der ihr vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorgenommen, was nach der Gesetzesbegründung ebenfalls erforderlich gewesen wäre. Ansonsten hätte ihr auffallen müssen, dass die den Vorschuss- bzw. Beitragsbescheiden der Beklagten zugrunde gelegten Arbeitsentgelte nicht stimmig sein konnten, und sie habe daher gerade nicht darauf vertrauen können, dass der Nachunternehmer seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten nachkomme. Die Mitteilungen des Nachunternehmers vom 02.02.2009 und 09.03.2009 über die eigene Beauftragung von Nachunternehmern ändere daran nichts. Daraus lasse sich nicht der Schluss ziehen, dass von dem von der Klägerin beauftragten Nachunternehmer überwiegend Nachunternehmer eingesetzt worden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.02.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, das Abstellen der Beklagten auf einen Vertragsschluss wenige Tage vor dem Datum der ersten Unbedenklichkeitsbescheinigung und eine Beendigung der Arbeiten wenige Tage nach Ende des Gültigkeitszeitraumes der letzten Unbedenklichkeitsbescheinigung sei reine Förmelei. Sie - die Klägerin - habe auf die von der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigungen vertrauen dürfen. Denn für sie habe keine Veranlassung bestanden, annehmen zu müssen, dass der Nachunternehmer Sozialversicherungsbeiträge für eigene Mitarbeiter nicht vollständig abführen würde. Sie habe auf die von der Beklagten ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigungen vertrauen dürfen und im Übrigen zah...

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