Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kündigung einer freiwilligen Mitgliedschaft
Orientierungssatz
Wird eine freiwillige Mitgliedschaft mit Hinweis auf ein beabsichtigtes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gekündigt, so bleibt die freiwillige Mitgliedschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht zustande kommt.
Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 23.06.1987; Aktenzeichen S 5 K 55/86) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 23.6.1987 und der Bescheid der Beklagten vom 13.8.1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.1986 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei ihr über den 28.2.1986 hinaus weiterzuführen.
2. Die Beklagte hat die der Klägerin in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen sind keine Kosten zu ersetzen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin bei der Beklagten über den 28.2.1986 hinaus freiwillig versichert oder bei der Beigeladenen zu 1) ab 1.3.1986 pflichtversichert ist.
Die 1963 geborene Klägerin war bei der Beklagten zunächst bis 7.10.1985 Pflichtmitglied. Anschließend setzte sie ihre Mitgliedschaft nach § 313 RVO freiwillig fort. Am 1.3.1986 wollte sie eine Versicherungspflichtige Beschäftigung im C.-Sportstudio in M. aufnehmen. Am 20./21.2.1986 erklärte sie deshalb ihren Beitritt als Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1) zum 1.3.1986 mit dem Hinweis, die Mitgliedschaft bei der Beklagten ende am 28.2.1986. Entsprechend kündigte sie diese Mitgliedschaft am 24.2.1986 mit der Begründung, daß sie ab 1.3.1986 als Praktikantin pflichtversichert werde.
Nach den Ermittlungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) war die Beschäftigung der Klägerin ab 1.3.1986 nicht möglich, weil das Sportstudio bis Anfang/Mitte April 1986 umgebaut wurde. Danach konnte die Klägerin die Arbeit ebenfalls nicht aufnehmen. Sie befand sich ab 21.3.1986 wegen einer Anorexia nervosa (nervös bedingte Einschränkung oder Verweigerung der Nahrungsaufnahme mit Magersucht) in stationärer Krankenhausbehandlung. Sie war wegen dieser Erkrankung ab 6.3.1986 in ambulanter Behandlung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. in M.. Diese bescheinigte am 12.6.1986, daß die Klägerin mit Sicherheit schon vor dem 6.3.1986 arbeitsunfähig gewesen sei, weil bereits eine körperliche Dekompensation bestanden habe. Auf eine telefonische Anfrage der Beigeladenen zu 1) bestätigte sie, daß auch am 1.3.1986 bereits Arbeitsunfähigkeit bestand. Bis zur Krankenhauseinweisung hatte die Klägerin zu Hause unentgeltlich die Kundenkartei des Sport-Studios sortiert.
Die Beigeladene zu 1) stornierte die Mitgliedschaft rückwirkend zum 1.3.1986, weil das angegebene Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen sei (Bescheid vom 1.7.1986).
Durch Bescheid vom 13.8.1986 und Widerspruchsbescheid vom 15.12. 1986 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin, die freiwillige Mitgliedschaft über den 28.2.1986 hinaus weiterzuführen, mit der Begründung ab, diese Mitgliedschaft sei durch die von der Klägerin selbst ausgesprochene rechtswirksame Kündigung beendet und könne nicht erneut aufgenommen werden.
Aus den gleichen Gründen hat das Sozialgericht Mainz die Klage durch Urteil vom 23.6.1987 abgewiesen.
Gegen das am 13.7.1987 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.8.1987 die Berufung eingelegt.
Sie meint, die Beigeladene zu 1) verweigere ihr zu Unrecht die Pflichtmitgliedschaft ab 1.3.1986. Sie habe zu diesem Zeltpunkt die Versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, da sie dem Arbeitgeber zur Verfügung gestanden und für ihn auch Arbeiten verrichtet habe. Daß sie kein Entgelt dafür erhalten habe, sei unbeachtlich. Jedenfalls aber müsse die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft über den Kündigungszeitpunkt hinaus fortsetzen. Sie habe erkennbar nur deshalb gekündigt, weil sie davon ausgegangen sei, unmittelbar anschließend ab 1.3.1986 bei der Beigeladenen zu 1) pflichtversichert zu sein. Sie sei nach der Stornierung dieser zunächst angenommenen Pflichtversicherung ebenso schutzbedürftig und auch schutzwürdig i.S. des § 313 RVO wie zuvor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 23.6.1987 sowie den Bescheid vom 13.8.1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.12.1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre freiwillige Mitgliedschaft über den 28.2. 1986 hinaus weiterzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klägerin ist bei der Beklagten freiwilliges Mitglied geblieben, weil ab 1.3.1986 keine Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1) eingetreten ist. Sie hat gegenüber der Beklagten nicht rechtswirksam gekündigt. Folglich hat die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft ...