Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 11.04.1975; Aktenzeichen S 16 U 39/73) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer. Zweigstelle Mainz, vom 11. April 1975 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Sterbegeld, Überführungskosten und Überbrückungshilfe richtet; im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2) Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Witwe des 1936 geborenen und am … 1972 durch Ertrinken im Wasser des Mainhafens Wertheim verstorbenen Matrosen G. P. L. (L.). Dieser war seit November 1967 auf dem Motorlastkahn „Stadt O.” beschäftigt, dessen Eigner und Schifsführer der Zeuge Sch. ist. L. bewohnte zusammen mit der Klägerin die im Vorschiff befindliche Matrosenwohnung, die an der Backbordseite liegt und von dort aus über einen stellen Treppenabgang zu erreichen ist. Die „Stadt O.” lag seit 31. August 1972 im Mainhafen Wertheim und war mit der Steuerbordseite an der Ufermauer festgemacht. An der Backbordseite des Schiffes befand sich keine Reeling, an der Steuerbordseite war die Reeling umgeklappt. Dort war in Höhe der Matrosenwohnung lediglich eine etwa 40 cm hohe Schanzverkleidung angebracht.
Am Nachmittag und Abend des 1. September 1972 hielten sich L., zwei weitere Männer und die Klägerin in der Matrosenwohnung auf, wo sie bis gegen 21 Uhr nach Angaben der Klägerin 2 Flaschen Weinbrand tranken sowie alkoholfreie Getränke zu sich nahmen. Anschließend suchten die Klägerin, L. und einer der beiden Männer eine Gastwirtschaft in W./B. auf, in der sie Wein tranken. Gegen Mitternacht zahlte L. die Zeche und bestellte ein Taxi, mit dem er sich und die Klägerin zum Hafen zurückfahren ließ. Nach der Ankunft im Hafenglände bezahlte L. den Taxifahrer und überquerte sodann mit der Klägerin mehrere Kran- und Hafenbahngleise, deren Schienen 18,5 cm bzw. 17,5 cm über die Oberfläche ragen. Anschließend gingen beide etwas flußaufwärts zur nächsten in der Uferböschung befindlichen 1 m breiten Betontreppe, die ohne Geländer ist und 11 Stufen hat. Sie stiegen die Treppe und sodann eine senkrecht in die Ufermauer eingelassene Eisenleiter hinunter, die 6 Sprossen von 0,45 m Breite hat und deren Holme die Ufermauer nicht überragen. Vor der Leiter befindet sich lediglich ein im Mauerkopf zwischen 2 Kantenpollern eingelassener Haltebügel, der 1,35 m breit und 0,30 m hoch ist. Von der letzten Leitersprosse aus stiegen L. und die Klägerin auf das Schiff über und begeben sich in ihre Wohnung. Als L. seine Jacke und seine Schuhe bereits ausgezogen hatte, ging er auf Bitten der Klägerin noch einmal auf Deck, um nach ihrem Hund zu sehen, den sie vorher auf Deck gelassen hatten. Kurze Zeit später kam es der Klägerin vor, als hätte L. nach ihr gerufen. Da sie den Eindruck hatte, daß sich der Ruf mehr nach einem Schrei angehört habe, ging sie mit einer Taschenlampe auf Deck, konnte jedoch L. nicht finden. Die Klägerin begab sich zum Achterschiff und traf dort den Zeugen Sch. an, der ebenfalls Geräusche gehört hatte, aufgestanden war und mit seiner Taschenlampe das Schiff absuchte. Beide setzten ihre Suchtätigkeit etwa eine halbe Stunde lang fort, konnten jedoch nichts finden, was auf einen Sturz des L. ins Wasser hindeutete. In der Annahme, L. sei wieder an Land gegangen, legten sich Sch. und die Klägerin zur Ruhe. Nachdem Sch. am nächsten Morgen gegen 6 Uhr von der Klägerin erführ, daß L. immer noch nicht an Bord war, suchte er mit einem Staken und einem kleinen Suchgerät das Wasser rings um das Schiff ab, ohne etwas Verdächtiges zu finden. In Höhe der Matrosenwohnung stellte Sch. jedoch an der steuerbordseitigen Schanz Verkleidung, die am Tage zuvor frisch gestrichen worden war, Handabdrücke fest, die erkennen ließen, daß sich dort zwei Hände von Außenbord gehalten hatten. Die Abdrücke wurden später auch von der Wasserschutzpolizei festgestellt.
Am 3. September 1972 gegen 11.20 Uhr wurde die Leiche des L. am Heck des Schiffes etwa 60 m unterhalb der Matrosenwohnung geborgen. Die Untersuchung der aus der Oberschenkelvene der Leiche entnommenen Blutprobe ergab im Mittelwert eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,64 ‰. In einem der Beklagten am 20. November 1972 erstatteten Gutachten führten Professor Dr. Sch./Dr. B./Wissenschaftlicher Assistent K. aus, die BAK habe im Unfallzeitpunkt mit allergrößter Wahrscheinlichkeit 2,64 ‰ betragen. Eine wesentliche Bildung von zusätzlichem Äthylalkohol Infolge Gärung oder Fäulnis könne ausgeschlossen werden. L. sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit infolge Trunkenheit weder körperlich noch geistig in der Lage gewesen, Fahrzeuge der Binnenschiffahrt und die spezifischen Hafenanlagen mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu begehen. Obwohl unter Würdigung des gesamten Sachverhalts nicht ausgeschlossen werden könne, daß L. auch im nüchternen Zustand verunglückt wäre, zumal das Fehlen bzw. des Umkla...